Das Teufelsspiel
Er wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Keine Informationen über die Zeit nach der Haft. Hat angeblich seine Verbindung zu den damaligen Bürgerrechtlern genutzt, um Zugang zu der Stiftung zu erhalten.
• Charles’ Korrespondenz:
• Brief 1, an Ehefrau: Betrifft Aufruhr von 1863, sehr feindselige Stimmung gegenüber Schwarzen im ganzen Staat New York, Lynchmorde, Brandstiftungen. Schwarzes Eigentum gefährdet.
• Brief 2, an Ehefrau: Charles bei der Schlacht von Appomattox am Ende des Bürgerkriegs.
• Brief 3, an Ehefrau: Beteiligung an Bürgerrechtsbewegung. Erhält deshalb Drohungen. Besorgt wegen seines Geheimnisses.
• Brief 4, an Ehefrau: Hat mit seiner Waffe Potters’ Field aufgesucht, um »Gerechtigkeit« zu erlangen. Versuch endet mit Katastrophe. Die Wahrheit ist nun in Potters’ Field begraben. Sein Geheimnis war Ursache des ganzen Kummers.
… Vierunddreißig
Jax spielte wieder einen Obdachlosen, nur diesmal ohne Einkaufswagen. Und er tat auch nicht mehr so, als wäre er nicht ganz richtig im Kopf.
Der Graffitikönig gab sich als typischer Kriegsveteran aus, der ohne Job und voller Selbstmitleid um Kleingeld bettelte. Seine schäbige Baseballmütze lag umgedreht auf dem mit Kaugummi beklebten Gehweg und enthielt, Gott segne Sie, siebenunddreißig Cents.
Geizige Arschlöcher.
Er trug weder die olivfarbene Armeejacke noch das graue Sweatshirt, sondern stattdessen ein ausgeblichenes schwarzes T-Shirt unter einem zerrissenen beigefarbenen Sakko (das er wie ein echter Obdachloser aus dem Müll gefischt hatte). Im Augenblick saß er auf der Bank schräg gegenüber dem Haus am Central Park West und hielt in einer fleckigen braunen Papiertüte eine Getränkedose umklammert. Das müsste eigentlich Whisky sein, dachte er verbittert. Ich wünschte, es wäre welcher. Aber es war bloß Eistee. Er lehnte sich zurück, als würde er sich überlegen, welcher Job ihm am besten gefallen könnte, genoss aber gleichzeitig auch den kühlen Herbsttag und nippte erneut an dem süßen Pfirsichgetränk. Dann zündete er sich eine Zigarette an und blies den Rauch in den phänomenal klaren Himmel hinauf.
Der Junge von der Langston Hughes Highschool kam auf ihn zu. Er hatte soeben die Tüte für Geneva Settle abgeliefert und das Haus am Central Park West danach wieder verlassen. Dort war noch immer niemand am Fenster aufgetaucht, aber das bedeutete nicht, dass die Bude leer war. Im Übrigen standen ein Streifenwagen und ein ziviles Polizeifahrzeug vor der Tür, gleich neben der Rollstuhlrampe. Also hatte Jax hier in einem Block Entfernung abgewartet, dass der Junge seinen Auftrag erfüllte.
Der hagere Teenager ließ sich neben dem nicht wirklich obdachlosen Blutgraffitikönig auf die Bank fallen.
»Yo, yo, Mann.«
»Warum sagt ihr Kids dauernd ›yo‹?«, fragte Jax gereizt. »Und wieso, zum Teufel, sagt ihr es immer zweimal?«
»Das machen alle so. Was ist dein Problem, Mann?«
»Hast du ihr die Tüte gegeben?«
»Was ist ’n das für ein Kerl ohne Beine?«
»Wer?«
»Da drinnen ist ein Kerl ohne Beine. Oder vielleicht hat er Beine, und sie funktionieren nicht.«
Jax wusste nicht, wovon der Typ redete. Ein schlauerer Bote wäre ihm lieber gewesen, aber er hatte auf dem Schulhof der Langston Hughes Highschool bloß einen Jungen auftreiben können, der auch nur entfernt mit Geneva Settle in Verbindung stand – seine Schwester ging in ihre Klasse. »Hast du ihr die Tüte gegeben?«, wiederholte er.
»Ja, hab ich.«
»Was hat sie gesagt?«
»Keine Ahnung. Irgendeinen Scheiß. Danke. Ich weiß nicht.«
»Hat sie dir geglaubt?«
»Zuerst wusste sie nicht, wer ich bin, aber dann lief alles glatt. Als ich meine Schwester erwähnt hab.«
Er gab dem Jungen ein paar Scheine.
»Cool … Yo, falls ich noch was für dich erledigen soll, kein Problem, Mann. Ich …«
»Zieh Leine.«
Der Junge zuckte die Achseln und ging los.
»Warte noch«, sagte Jax.
Der Junge blieb stehen und drehte sich um.
»Wie war sie so?«
»Die Tussi? Wie sie ausgesehen hat?«
Nein, das hatte er nicht gemeint. Aber Jax wusste nicht, wie er danach fragen sollte. Und dann beschloss er, gar nicht danach zu fragen. Er schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Du kannst gehen.«
»Bis später, Mann.«
Der Junge trollte sich.
Ein Teil von Jax wollte am liebsten hier bleiben. Aber das wäre dumm. Es war ratsamer, sich nicht zu dicht bei dem Haus aufzuhalten. Er würde sowieso noch früh genug erfahren, was passiert
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