Das Teufelsspiel
passiert.«
»Ja, komisch.«
Er wusste, was sie für ihn getan hatte. Und er gab es ihr auf diese Weise zu verstehen.
»Okay, den Schützen hätten wir«, sagte er dann. »Aber das ist erst der Anfang. Wir brauchen den Scheißkerl, von dem er angeheuert wurde, und seinen Partner – der vermutlich soeben Boyds Auftrag geerbt hat. An die Arbeit, Detective.« Sellitto klang dabei so barsch, wie es auch Rhyme nicht besser hinbekam.
Er war wieder da. Einen schöneren Dank hätte Amelia sich gar nicht wünschen können.
Das wichtigste Beweisstück wird häufig als letztes gefunden.
Jeder fähige Tatortermittler würde sich am Schauplatz eines Verbrechens zunächst einen schnellen Überblick verschaffen und dann sofort jene Spuren sichern, die sich verflüchtigen, vom Regen weggespült oder vom Wind verweht werden könnten. Danach erst kämen die anderen Spuren an die Reihe – auch wenn es sich um etwas ganz Offensichtliches wie die buchstäblich noch rauchende Waffe handelte.
Falls der Tatort gesichert ist, kann das gute Zeug dir nicht weglaufen, sagte Lincoln Rhyme oft.
Sachs hatte sowohl in Boyds Haus als auch in dem Versteck auf der anderen Straßenseite Fingerabdrücke genommen, Partikel aufgesammelt, aus dem Badezimmer Proben für DNS-Analysen gesichert, Böden und Mobiliar abgeschabt, Teppichstücke ausgeschnitten, beide Schauplätze fotografiert sowie umfassende Videoaufnahmen angefertigt. Dann erst wandte sie ihre Aufmerksamkeit den größeren und auffälligeren Dingen zu. Sie ließ die Säure und das Zyankali in die Bronx abtransportieren, wo die Polizei über eine speziell gesicherte Asservatenkammer verfügte, und nahm sich danach die Bombe in dem Transistorradio vor.
Sie untersuchte und registrierte die Waffen und die Munition, das Bargeld, die aufgerollten Seile, die Werkzeuge und Dutzende anderer Gegenstände, die von Bedeutung sein konnten.
Schließlich nahm Sachs einen kleinen weißen Umschlag, der in dem Apartment auf einem Regal neben der Wohnungstür lag.
Darin befand sich ein einzelnes Blatt Papier.
Sie las es. Und lachte unwillkürlich auf. Sie las die Zeilen ein weiteres Mal. Dann wählte sie Rhymes Nummer. Junge, haben wir danebengelegen, dachte sie.
»So«, sagte Rhyme zu Cooper, der gemeinsam mit ihm auf den Monitor starrte. »Ich wette hundert Dollar, dass du auch hier reinen Kohlenstoff feststellen wirst, genau wie bei dem Lageplan, der in der Elizabeth Street unter seinem Kissen versteckt war. Hältst du dagegen? Oder sonst jemand?«
»Zu spät«, sagte der Techniker, als das Massenspektrometer einen Piepton von sich gab und die Ergebnisse der Papieranalyse auf dem Bildschirm erschienen. »Außerdem wette ich prinzipiell nicht.« Er schob sich die Brille höher auf die Nase. »Jawohl, Kohlenstoff, und zwar hundertprozentiger.«
Kohlenstoff. Wie er in Holzkohle, Asche und einigen anderen Substanzen vorkam.
Bei dem es sich jedoch auch um Diamantstaub handeln konnte.
»Da sind wir aber mächtig auf dem Holzweg gewesen«, scherzte der Kriminalist, dessen gute Laune zurückgekehrt war.
Sie hatten sich nicht im Hinblick auf den Täter geirrt. Und Boyd hatte tatsächlich den Auftrag erhalten, Geneva zu ermorden. Aber aus einem völlig anderen als dem vermuteten Motiv. All die Spekulationen über die frühe Bürgerrechtsbewegung, die heutigen Folgen des Diebstahls, den man Charles Singleton untergeschoben hatte, das Komplott rund um den Vierzehnten Zusatzartikel … waren vollkommen überflüssig gewesen.
Geneva Settle hatte sterben sollen, weil sie zufällig etwas gesehen hatte, das Boyds Auftraggeber unbedingt geheim halten wollte: die Planung eines Juwelenraubes.
Der Brief, den Amelia in dem Versteck gefunden hatte, enthielt eine Skizze mehrerer Gebäude in Midtown, darunter auch das afroamerikanische Museum. Die Nachricht lautete:
Eine schwarze Mädchen, vierte Stock an diese Fenster, 2. Oktober, etwa 08.30 Uhr. Sie hat in eine Gasse hinter die Edelstein Börse meine Liefer Wagen gesehen als es geparkt wurde und könnte Pläne von mir erraten. Töten Sie sie.
Das Bibliotheksfenster in der Nähe des Mikrofilmlesegeräts, an dem Geneva überfallen wurde, war auf der Skizze durch einen Kreis markiert.
Der Text wies nicht nur diverse Rechtschreibfehler auf, sondern war zudem merkwürdig formuliert, was aus der Sicht des Kriminalisten einen Glücksfall darstellte; das Ungewöhnliche ließ sich viel einfacher zurückverfolgen als das Gewöhnliche. Rhyme hatte
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