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Das Teufelsspiel

Das Teufelsspiel

Titel: Das Teufelsspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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war, nachdem das Mädchen die Tüte ganz ausgepackt hatte.
    Geneva setzte sich auf ihr Bett, lehnte sich zurück, schloss die Augen und fragte sich, warum sie sich so gut fühlte.
    Nun, sie hatten den Killer erwischt. Aber das konnte unmöglich der einzige Grund sein, denn sein Auftraggeber befand sich weiterhin auf freiem Fuß. Außerdem war da noch dieser Mann mit der Pistole, der Kerl mit der Armeejacke, der sich beim Schulhof herumgetrieben hatte.
    Sie müsste verängstigt und deprimiert sein.
    Aber das war sie nicht. Sie fühlte sich befreit und fröhlich.
    Wieso?
    Und dann wurde es ihr klar: weil ihr Geheimnis nicht mehr auf ihr lastete. Sie hatte anderen ihr Herz ausgeschüttet, hatte von ihrem einsamen Leben und ihren Eltern erzählt. Und niemand war entsetzt und schockiert gewesen und hasste sie nun wegen der Lüge. Mr. Rhyme, Amelia und Detective Bell hatten sie sogar unterstützt. Sie waren nicht ausgerastet und hatten sogar die Psychologin für sie hinters Licht geführt.
    Verdammt, fühlte sich das gut an. Wie schwierig es doch gewesen war, dieses Geheimnis mit sich herumzuschleppen – genau wie bei Charles und seinem Geheimnis (was auch immer es gewesen sein mochte). Falls der ehemalige Sklave sich jemandem anvertraut hätte, wäre ihm dann der ganze Kummer erspart geblieben? Laut seinem Brief schien er das jedenfalls geglaubt zu haben.
    Geneva schaute zu der Einkaufstüte voller Bücher, die die Mädchen von der Langston Hughes Highschool ihr besorgt hatten. Ihre Neugier gewann die Oberhand, und sie beschloss, sich einen Überblick zu verschaffen. Sie hob die Tüte auf das Bett. Ronelles Bruder hatte Recht: Das Zeug wog eine Tonne.
    Sie griff hinein und nahm das Buch von Laura Ingalls Wilder heraus. Beim nächsten Titel lachte Geneva laut auf. Das wurde ja immer merkwürdiger: Ein Nancy-Drew-Kinderkrimi. War das ein Scherz oder was? Es folgten Bücher von Judy Blume, Dr. Seuss, Pat McDonald. Lauter Kinder- und Jugendbücher. Das waren wundervolle Autoren, sie kannte sie alle. Aber sie las solche Geschichten schon seit Jahren nicht mehr. Was hatte das zu bedeuten? Kannten Ronelle und die anderen sie denn wirklich so wenig? In ihrer Freizeit hatte sie zuletzt Romane für Erwachsene bevorzugt: Was vom Tage übrig blieb von Kazuo Ishiguro und Die Geliebte des französischen Leutnants von John Fowles. Das letzte Buch von Dr. Seuss hatte sie vor zehn Jahren gelesen.
    Vielleicht kam weiter unten noch etwas Besseres. Sie steckte den Arm in die Tüte.
    Ein Klopfen an der Tür ließ sie zusammenzucken.
    »Herein.«
    Es war Thom. Er brachte ihr ein Tablett mit einer Pepsi und einigen Snacks.
    »Hallo«, sagte er.
    »Hallo.«
    »Ich dachte mir, du könntest eine Stärkung vertragen.« Er öffnete die Getränkedose und wollte den Inhalt in ein Glas gießen. Geneva schüttelte den Kopf. »Ich trinke aus der Dose, vielen Dank«, sagte sie. Sie wollte alle leeren Dosen sammeln, damit sie genau wusste, welche Summe sie Mr. Rhyme schuldig war.
    »Und … Reformkost.« Er reichte ihr einen Schokoriegel, und sie beide lachten.
    »Vielleicht später.« Alle versuchten ständig, sie zu mästen. Sie war es nun mal nicht gewohnt, viel zu essen. Üppige Mahlzeiten nahm man gemeinhin im Kreis der Familie ein. Aber nicht, wenn man für sich allein im Keller über einen klapprigen Tisch gebeugt dasaß und ein Buch las oder sich Notizen für einen Aufsatz über Hemingway machte.
    Geneva trank einen Schluck, während Thom es übernahm, die restlichen Bücher auszupacken. Er hielt sie eines nach dem anderen hoch. Zuerst einen Roman von C. S. Lewis. Dann Der geheime Garten.
    Immer noch nichts für Erwachsene.
    »Ganz unten liegt ein dicker Wälzer«, sagte er und nahm den Band heraus. Es war ein Harry-Potter-Roman, der erste der Reihe. Geneva hatte ihn gleich gelesen, als er veröffentlicht worden war.
    »Möchtest du es haben?«, fragte Thom.
    Sie zögerte. »Klar.«
    Der Betreuer gab ihr das schwere Buch.
     
    Ein Jogger näherte sich. Der Mann Mitte vierzig musterte Jax, den obdachlosen Veteranen in dem Jackett aus dem Müll, mit einer Pistole in der Socke und siebenunddreißig erbettelten Cents in der Tasche.
    Die Miene des Joggers blieb ungerührt, als er an ihm vorbeilief. Aber der Mann wich ein winziges Stück zur Seite aus, um etwas mehr Abstand zwischen sich und diesen großen schwarzen Kerl zu legen. Es war eine kaum wahrnehmbare Reaktion, doch Jax empfand sie so deutlich, als hätte der Mann abrupt angehalten,

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