Das Teufelsspiel
Philadelphia schreibt, die dortige Bibliothek habe bis vor kurzem über die landesweit einzige vollständige Sammlung der Zeitschrift verfügt. Dann …«
»Bis vor kurzem?«, fiel Rhyme ihm barsch ins Wort. »Scheiße, was soll das nun wieder?«
»Letzte Woche ist in dem entsprechenden Lagerraum ein Feuer ausgebrochen.«
»Was besagt der Bericht der Feuerwehr?«, fragte Sachs.
»Man geht nicht von einer Brandstiftung aus. Wie es scheint, ist eine Glühbirne zersprungen und hat einige Papiere in Brand gesetzt. Personen kamen nicht zu Schaden.«
»Schwachsinn, natürlich war es Brandstiftung. Das Feuer wurde absichtlich gelegt. Hat der Professor denn wenigstens einen Vorschlag für uns, wo wir andere …?«
»Lass mich bitte ausreden.«
»Nun, dann rede doch!«
»Es ist an diesem College üblich, sämtliche Archivexemplare einzuscannen und als PDF-Dateien zu speichern.«
»Heißt das, du hast eine gute Nachricht für uns, Mel? Oder soll das bloß ein Scherz sein?«
Cooper betätigte einige Tasten und wies auf den Bildschirm. »Voilà – Coloreds’ Weekly lllustrated vom 23. Juli 1868.«
»Was du nicht sagst! Tja, dann lies mal vor, Mel. Mich interessiert vor allem, ob Mr. Singleton im Hudson ertrunken ist oder nicht.«
Cooper drückte erneut ein paar Tasten, schob dann seine Brille ein Stück höher auf den Nasenrücken und beugte sich vor. »Es geht los. Die Überschrift lautet ›Schande – Bericht über das Verbrechen eines Freigelassenen. Charles Singleton, ein Veteran des Kriegs zwischen den Staaten, begeht offenen Verrat an der Sache unseres Volkes‹.«
Er fing an, den Text vorzulesen. »›Am Dienstag, dem 14. Juli, wurde Haftbefehl gegen einen gewissen Charles Singleton erlassen, Freigelassener und Veteran des Sezessionskriegs. Das New Yorker Strafgericht beschuldigte ihn, er habe sich in verbrecherischer Absicht einer großen Summe Goldes und anderer Gelder bemächtigt, die rechtmäßiges Eigentum des Nationalen Ausbildungsfonds zur Unterstützung Freigelassener sind, beheimatet an der Dreiundzwanzigsten Straße in Manhattan, New York.
Es gelang Mr. Singleton zunächst, der stadtweiten Fahndung der Polizei zu entgehen, sodass vermutet wurde, er sei entkommen, vermeintlich nach Pennsylvania, wo die Schwester seiner Frau mit ihrer Familie lebt.
Dann aber, am Donnerstag, dem 16., wollte er sich frühmorgens offenbar den Kaianlagen am Hudson River nähern und fiel dabei einem Polizisten auf.
Der Constable gab Alarm, und Mr. Singleton ergriff die Flucht. Der Polizist nahm die Verfolgung auf.
Innerhalb kürzester Zeit schlossen sich ihm Dutzende anderer Gesetzeshüter an, dazu eine Reihe von irischen Lumpensammlern und Tagelöhnern, die bei der Jagd auf den Verbrecher ihre Bürgerpflicht tun wollten (und durch die ausgesetzte Belohnung von fünf Dollar in Gold zusätzlich beflügelt wurden). Der Fluchtweg führte durch das verschlungene Gewirr heruntergekommener Baracken unweit des Flusses.
An der Farbenfabrik in der Dreiundzwanzigsten Straße geriet Mr. Singleton ins Straucheln. Ein berittener Polizist eilte herbei und war kurz davor, ihn zu ergreifen. Doch er kam wieder auf die Beine und setzte die Flucht fort, anstatt sich wie ein mutiger Mann für seine Tat zu verantworten.
Eine Weile gelang es ihm noch, sich den Verfolgern zu entziehen, aber die Flucht war nicht von langer Dauer. Ein Negerkaufmann, der auf der Veranda seines Ladens stand, sah den Freigelassenen und beschwor ihn im Namen der Gerechtigkeit, sich zu stellen. Er sagte, er habe von Mr. Singletons Verbrechen gehört und werfe ihm vor, dadurch Schande über alle Farbigen des Landes gebracht zu haben. Dieser Bürger, ein gewisser Walker Loakes, warf daraufhin einen Ziegelstein nach Mr. Singleton, um ihn zu Fall zu bringen. Es gelang Mr. Singleton jedoch, dem Geschoss auszuweichen und abermals zu fliehen, wobei er laut seine Unschuld beteuerte.
Dank seiner Arbeit auf einer Apfelplantage war der Freigelassene kräftig und konnte rennen wie ein geölter Blitz. Aber Mr. Loakes setzte die Polizei über den Verbleib des Mannes in Kenntnis, sodass er an den Kais nahe der Achtundzwanzigsten Straße, dicht beim Frachtbüro der Hafenschlepper, von den emsigen Gesetzeshütern gestellt werden konnte. Dort blieb er erschöpft stehen und klammerte sich an das Schild der Swiftsure Express Company. Detective Captain William P. Simms, der die Suche der vorangegangenen beiden Tage geleitet hatte, drängte den Dieb mit erhobener Pistole, sich zu
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