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Das Teufelsspiel

Das Teufelsspiel

Titel: Das Teufelsspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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noch einmal Revue passieren, was er während der letzten Stunde aus dem Buch mit den vielen gelben Klebezetteln gelernt hatte und wie er seine neuen Kenntnisse in die Tat umsetzen würde.
     
    »Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    Lon Sellitto schaute wie ein kleines Häuflein Elend zu dem Captain hoch, der direkt vom Police Plaza hergeeilt war, sobald die hohen Tiere von dem Zwischenfall erfahren hatten. Sellitto saß auf dem Bordstein. Sein Haar war zerzaust, der Bauch hing ihm über den Gürtel, das rosa Fleisch quoll zwischen den Hemdknöpfen hervor. Seine verschrammten Schuhe wiesen nach außen. Im Augenblick war alles an ihm irgendwie zerknittert.
    »Was ist passiert?« Der hochgewachsene Afroamerikaner hatte Sellittos Revolver an sich genommen und hielt ihn nun in der Hand. Die Trommel war ausgeklappt und entladen, was dem üblichen Vorgehen des NYPD entsprach, nachdem ein Beamter seine Waffe abgefeuert hatte.
    Sellitto sah dem Mann in die Augen. »Ich hab mich ungeschickt angestellt und versehentlich einen Schuss abgegeben.«
    Der Captain nickte langsam und wandte sich an Amelia Sachs. »Sind Sie in Ordnung?«
    Sie zuckte die Achseln. »Das war halb so wild. Die Kugel ist meilenweit daneben gegangen.«
    Sellitto konnte sehen, dass der Captain Amelias Versuch durchschaute, die Angelegenheit herunterzuspielen. Dass sie ihn schützen wollte, ließ ihn sich nur umso jämmerlicher fühlen.
    »Aber Sie befanden sich in der Schusslinie«, sagte der Captain.
    »So würde ich das nicht …«
    »Sie befanden sich in der Schusslinie?«
    »Ja, Sir«, sagte Sachs.
    Das Geschoss, Kaliber 38, hatte sie um weniger als einen Meter verfehlt. Sellitto wusste es. Sie wusste es.
    Meilenweit daneben …
    Der Captain blickte zu dem Lagerhaus. »Wäre der Verdächtige ohne diesen Vorfall trotzdem entwischt?«
    »Ja«, sagte Bo Haumann.
    »Sind Sie da absolut sicher? Das Thema wird zur Sprache kommen.«
    Der ESU-Leiter nickte. »Wie es inzwischen aussieht, ist der Täter auf das Dach des Lagerhauses gelangt und dann nach Norden oder Süden gelaufen – vermutlich nach Süden. Der Schuss« – er nickte in Richtung von Sellittos Revolver – »fiel, nachdem wir die Nachbargebäude bereits untersucht hatten.«
    Was ist bloß mit mir los?, dachte Sellitto erneut.
    Tapp, tapp, tapp …
    »Warum haben Sie Ihre Waffe gezogen?«, fragte der Captain.
    »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass jemand aus dieser Kellertür kommt.«
    »Haben Sie denn nicht über Funk gehört, dass das Lagerhaus gesichert worden war?«
    Er zögerte. »Das hab ich nicht mitbekommen.« Als Lon Sellitto das letzte Mal einen Vorgesetzten angelogen hatte, war es ihm darum gegangen, einen Anfänger zu beschützen, der ein Entführungsopfer gerettet, dabei aber gegen die Vorschriften verstoßen hatte. Das war eine gute Lüge gewesen. Hier jedoch schützte er lediglich seinen eigenen Hintern, und es tat regelrecht weh, die Worte auszusprechen.
    Der Captain ließ den Blick in die Runde schweifen. In der Nähe hielten sich mehrere ESU-Leute auf. Keiner von ihnen sah zu Sellitto. Sie schienen sich für ihn zu schämen.
    »Es wurde niemand verletzt und kein nennenswerter Sachschaden angerichtet«, stellte der Captain schließlich fest. »Ich fertige einen entsprechenden Bericht an. Außerdem steht eine Vernehmung durch die Schusswaffenkommission im Raum. Ich werde keine diesbezügliche Empfehlung aussprechen.«
    Sellitto war erleichtert. Ein Auftritt vor der Schusswaffenkommission war fast so rufschädigend wie eine Untersuchung durch die Abteilung für innere Angelegenheiten. Auch wenn man freigesprochen wurde, blieb etwas davon sehr, sehr lange kleben. Manchmal für immer.
    »Wollen Sie sich eine Weile freinehmen?«, fragte der Captain.
    »Nein, Sir«, sagte Sellitto mit fester Stimme.
    Für ihn wie für jeden anderen Cop gab es nichts Schlimmeres, als nach einem solchen Zwischenfall zu Hause zu sitzen. Er würde endlos grübeln, sich mit Junkfood voll stopfen und beschissen gelaunt sein. Und er würde sich sogar noch mehr in die Sache hineinsteigern als ohnehin schon. (Es war ihm immer noch peinlich, dass er nach der Fehlzündung des Lasters verschreckt wie ein kleines Kind in Deckung gesprungen war.)
    »Ich weiß nicht.« Es lag im Ermessen des Captains, den Mann vom Dienst freizustellen. Am liebsten hätte er Sachs nach ihrer Meinung gefragt, aber das ging nicht. Sie war erst seit kurzem Detective. Dennoch bedeutete sein Zögern, dass er ihr Gelegenheit gab,

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