Das Teufelsspiel
Street weiter. Die Fahndung nach ihm genoss offenbar höchste Priorität. Boyd war nicht überrascht. New Yorks Gesetzeshüter mochten es gar nicht, wenn einer von ihnen durch Starkstrom gegrillt wurde (obwohl der Cop nach Thompsons Ansicht viel zu unvorsichtig und daher selbst schuld gewesen war).
Dann überkam ihn ein Anflug von Besorgnis, denn nur drei Blocks entfernt hielt ein weiterer Streifenwagen am Straßenrand. Die Beamten stiegen aus und fingen an, die Passanten zu befragen. Ein zweiter Wagen kam nur sechzig Meter von Thompson entfernt zum Stehen, und die Polizisten gingen in seine Richtung. Sein eigenes Auto stand in der Nähe des Hudson River geparkt, ungefähr fünf Minuten von hier. Er musste sich unverzüglich auf den Weg machen. Aber die Ampel blieb beharrlich auf Rot.
Noch mehr Sirenen waren zu hören.
Die Situation verwandelte sich allmählich in ein Problem.
Thompson musterte die Umstehenden. Die meisten der Leute schauten gespannt nach Osten zu den Streifenwagen und Polizisten. Er musste für eine Ablenkung sorgen, die es ihm gestatten würde, die Straße zu überqueren. Irgendwas … nichts Extravagantes. Es sollte bloß die Aufmerksamkeit der Menge auf sich ziehen. Ein brennender Abfalleimer, eine Alarmanlage, splitterndes Glas … Sonst noch was? Thompson sah nach links. Auf der Sechsten Avenue näherte sich von Süden ein großer Omnibus und würde in wenigen Sekunden die Kreuzung erreicht haben, an der die wartenden Fußgänger standen. Einen Mülleimer anzünden oder das hier? Thompson Boyd traf eine Entscheidung. Er schob sich näher an den Bordstein heran, bis er hinter einer zierlichen Asiatin von etwa fünfundzwanzig Jahren stand. Ein kleiner Schubs genügte, um sie genau vor den Bus zu befördern. Die junge Frau keuchte erschrocken auf und kippte nach vorn.
»Sie ist gestürzt!«, rief Thompson völlig ohne jeden Akzent. »Helft ihr!«
Ihr Schrei brach abrupt ab, als der rechte Außenspiegel des Busses sie an Schulter und Kopf traf und ihren Körper zurück auf den Bürgersteig schleuderte. Blut spritzte auf die Seitenscheibe und einige der Leute. Die Bremsen kreischten auf, genau wie mehrere der Frauen in der Menge.
Der Bus kam mitten auf der Canal Street zum Stehen und blockierte die Kreuzung. Dort würde er bleiben, bis der Unfall untersucht worden war. Ein Feuer in einem Mülleimer, eine zerbrechende Flasche, eine Autoalarmanlage – all das hätte eventuell funktioniert. Aber die junge Frau zu töten war eindeutig die effizientere Methode gewesen.
Der Verkehr kam sofort zum Erliegen, wovon auch zwei Streifenwagen auf der Sechsten Avenue betroffen waren.
Thompson überquerte in aller Seelenruhe die Straße und ließ die entsetzten Passanten hinter sich zurück, die weinten, durcheinander riefen oder einfach schockiert den blutigen Körper anstarrten, der reglos vor einem Maschendrahtzaun lag. Die leblosen Augen starrten gen Himmel. Anscheinend hielt niemand die tragische Begebenheit für etwas anderes als einen schrecklichen Unfall.
Weitere Leute kamen angerannt, wählten auf ihren Mobiltelefonen den Notruf … es herrschte Chaos. Thompson schlängelte sich zwischen den stehenden Fahrzeugen hindurch. Er hatte die junge Asiatin bereits wieder vergessen und dachte über wichtigere Dinge nach. Eines seiner Verstecke war nun unbrauchbar geworden. Doch wenigstens war er mit seinen Waffen, den Einkäufen und dem Anleitungsbuch entkommen. Nichts in der Wohnung deutete auf ihn oder seinen Auftraggeber hin; nicht mal die Frau in Weiß würde irgendeine Verbindung herstellen können. Nein, das war kein großes Problem.
Er blieb an einer Telefonzelle stehen, hörte seine Voicemail ab und erhielt eine gute Nachricht. Geneva Settle ging auf die Langston Hughes Highschool in Harlem. Sie wurde zudem von der Polizei beschützt, was ihn natürlich nicht überraschte. Boyd würde schon bald mehr erfahren – vermutlich ihre Adresse oder mit etwas Glück sogar die Botschaft, dass sich eine günstige Gelegenheit geboten hatte, das Mädchen zu erschießen, und der Auftrag somit als erledigt galt.
Dann ging Thompson Boyd weiter zu seinem Wagen – einem drei Jahre alten Buick in einem langweiligen Blauton, einem mittelmäßigen Wagen, einem durchschnittlichen Wagen, wie es sich für Joe Jedermann gehörte. Er fuhr los und beschrieb einen weiten Bogen um den Stau, der sich infolge des Busunfalls aufgebaut hatte. Während er die Brücke an der Neunundfünfzigsten Straße ansteuerte, ließ er
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