Das Teufelsweib
im Stadtteil Bagneux stand und zur zweiten Etage hinaufschaute, wo die Fenster der Santerresschen Wohnung blinkten. Diese Räume gehören nun mir, dachte Dubois, und etwas daran war lächerlich, wenn man, wie er, ein Schloß an der Seine und Millionen auf den Banken hatte. Aber es war ein Geheimnis um diese Zimmer, das fühlte Dubois. Nicht umsonst hatte sich Santerres unter solchen Umständen von ihnen getrennt. Und nicht umsonst war er noch in der gleichen Nacht weitergereist nach Genua, wie von Furien gehetzt, betrunken, unausgeschlafen, unrasiert. Nur weg, weg, weg!
Dubois gab sich einen Ruck und trat in den Hausflur. Er wies sich bei der Concierge, einer der berühmten Pariser Hausmeisterinnen, aus, sagte ihr, was los war, erklärte ihr kurz das Nötigste und stieg die beiden Treppen hinauf. Auch sie starrt mich an, dachte er bitter. Auch ihr war das Entsetzen vor meiner Häßlichkeit ins Gesicht geschrieben, als ob ich ein Ungeheuer wäre.
Er sperrte die Wohnungstür auf und trat ein. Er kam in eine elegant ausgestattete Diele, deren Wände bis in halber Höhe mit rotem Ziegenleder ausgeschlagen waren. Er hängte seinen Mantel, den er über dem Arm trug, und seinen Hut an eine Flurgarderobe aus Rüster. Der Geruch eines herben, nicht in die Räume passenden und doch bekannten Parfüms hing in der Luft. Diesen Duft kenne ich doch, dachte Dubois – aber woher nur? Hatte ihn Santerres gestern in Monte Carlo verströmt … oder …?
Er durchquerte den ersten Raum. Es war eine kleine, hypermodern eingerichtete Küche. Der Eisschrank summte. Eine Decke lag auf dem kleinen Tisch.
Als ob man mich erwartet hätte, dachte Dubois. Es fehlt nur noch, daß im Eisschrank eine kühle Flasche steht.
Auf Verdacht öffnete er die Eisschranktür – und siehe da, es gab sogar mehrere Flaschen! Dubois nickte zufrieden, ging zu dem eingebauten Küchenschrank, nahm ein Glas heraus, öffnete die Flasche mit einem Öffner, den er in einer Schublade fand, und setzte sich an den gedeckten Tisch. Ist ja jetzt alles mein, sagte er sich, die Wohnung und ihr gesamter Inhalt.
Er holte Wurst und Butter aus dem Eisschrank hervor, machte sich einige Brote und aß sie mit Appetit. Er kam sich wie in alten Zeiten vor, als noch kein Marco für ihn gesorgt hatte und als er abends in Paris von Wirtschaft zu Wirtschaft geschlichen war, die Speisekarten im Aushang studiert und dort gegessen hatte, wo es am billigsten gewesen war. Meistens hatte man ihm dann eine Portion mehr gegeben, weil er so klein und verwachsen war und das Mitleid der Menschen herausforderte. Am liebsten hätte er dann immer diesen Wohltätern die Suppe ins Gesicht geschüttet, wenn er nicht solchen Hunger gehabt hätte.
Es tat ihm nun gut, hier zu sitzen und zu essen und zu trinken. Das einfache Mahl schmeckte ihm so gut wie schon lange nichts mehr. Dann stand er auf und ging in das nächste Zimmer.
Es war ein Herrensalon, elegant, hell, mit kostbaren Möbeln und getäfelten Wänden. Überall standen Blumen herum.
Blumen! Er liebte Blumen. Sie waren schön, er war es nicht. Gegensätze ziehen sich an, sagt man. Vielleicht war dies der Grund für seine Vorliebe für Blumen.
Er ging zu den Töpfen, befühlte die Erde, begab sich in die Küche und kam mit einer Kanne Wasser zurück. Liebevoll goß er die Blumen, zupfte hier und da ein welkes Blatt ab und richtete hängende Blüten auf. Menschen müßten wie Blumen sein, dachte er dabei, genau wie die, stumm, dankbar, ohne häßliche Nebeneigenschaften …
Er setzte sich in einen der breiten Sessel und blätterte in einer Illustrierten, die auf dem Tisch lag. Sie war schon drei Wochen alt, obwohl der Wohnung anzusehen war, daß Santerres sie erst vor kurzem verlassen hatte.
Was mache ich nun mit diesen Räumen? fragte sich Dubois. Ob ich sie vermiete? Oder ob ich aus ihnen meine geheime Pariser Wohnung mache, in die ich mich zurückziehe, wenn ich einmal allein sein will? Vielleicht allein mit Manon? Was würde sie sagen, wenn sie diese kleine elegante Wohnung sähe? Vielleicht schenke ich sie ihr. Dann kann sie hier ihre kleinen Nachmittagstees geben, Freundinnen einladen und Hausbälle veranstalten. Die Tür dort führt wohl zum Schlafzimmer. Sicher tut sie das.
Warum Santerres die Wohnung wohl an mich verspielt hat? Er muß betrunken gewesen sein und hat nicht mehr gewußt, was er tut.
Dubois streckte sich und gähnte. Reisen ermüdet. Dubois lächelte. Wie sich doch alles fügt. In der Küche zu essen und zu
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