Das Teufelsweib
betrachtest du das. Dann würde ich dir eine andere Perspektive empfehlen.«
»Welche?«
»Betrachte dich als einen, der zwar seine Gastfreundschaft genoß, aber eine Gastfreundschaft, die heute noch bei Urwald- und Wüstenstämmen üblich ist und die nicht nur ein Lager, sondern auch die Frau dazu für den Gast mit einschließt. Das hat er mir selbst erzählt.«
»Du bist eine Hexe!« stellte Martinelli fest.
»Wäre ich eine Heilige«, lachte sie, »hättest du nur davon träumen können, mich zu besitzen – oder? Sei also froh, daß ich eine Hexe bin.«
»Manon, sprich nicht so!«
»Doch, doch, das stimmt schon, in meiner Verdorbenheit liegt die Glückseligkeit derer, die sich gern verderben lassen.«
Martinelli blickte sie gepeinigt an. Auch er war schon verloren, wie so viele vor ihm.
»Und wie soll es weitergehen mit uns?« fragte er. »Ich liebe dich, Manon. Aber ich kann nicht mehr lange hierbleiben. Kommst du mit? Ich muß morgen singen.«
Manons Antwort bestand aus einer Reihe von Hammerschlägen für ihn:
»Sing nur. Ich komme nicht mit. Es war eine schöne Stunde mit dir. Du irrst aber, wenn du in ihr eine Premiere siehst, der weitere Aufführungen folgen werden. Nein. Wir verabschieden uns voneinander: Au revoir, mon cher; au revoir, ma chérie. Wobei dieses ›Auf Wiedersehen‹ eine Lüge ist. Es wird für uns kein Wiedersehen mehr geben.«
»Ist das dein Ernst?«
»Ja.«
»Und wenn ich vor Sehnsucht nach dir vergehe, Manon? Du weißt nicht, was du in mir ausgelöst hast. Wenn mein Begehren danach schreit, gestillt zu werden?«
»Dann nimm eine andere und kratze ihr die Haut kaputt!«
Ein böser Vorwurf war das schon. Manon hatte ihren Rücken zum Spiegel herumgedreht und betrachtete ihn mit gewendetem Kopf.
»Wie ich das«, sagte sie dabei, »vor deinem … Gastgeber verbergen kann, darüber machst du dir keine Gedanken?«
Martinelli hielt das nicht mehr aus.
»Manon«, rief er, sprang auf, eilte um den Tisch herum und wollte sie wieder an sich reißen.
Sie hielt ihn sich aber vom Leibe.
»Schluß!« sagte sie, raffte das Kleid vom Boden auf, das immer noch dort lag, und stand wenige Sekunden später angezogen vor ihm. Zauberei war dazu nicht notwendig. Es mußte ja nur ein Kleid allein übergestreift, mußten zwei Reißverschlüsse zugezogen werden – das war alles.
Ohne noch einen Blick für Martinelli zu haben, drehte sie den Türschlüssel im Schloß herum, lugte durch einen Spalt hinaus auf den Gang und schlüpfte, als sie bemerkte, daß die Luft rein war, aus der Kabine. Sie huschte den Weg, den sie gekommen war, zurück. Niemand sah sie. Als sie sich der Brücke näherte, ordnete sie sich mit einigen geübten Griffen noch einmal das Haar.
Ein klarer Nachthimmel spannte sich über dem Meer. Vollmond war. Sein Licht spiegelte sich im Meer wider. Blank, still stand er am Himmel, unnahbar.
Unnahbar?
Nein, das nicht mehr. Seine Unnahbarkeit hat nun schon ein paarmal Einbußen erlitten.
Die Jacht machte kaum Fahrt. In den langen, ruhigen Wellen schlingerte sie nur unmerklich.
Am Heck brannten die roten Lampen. Der Bugscheinwerfer erhellte das Meer. Die Liegestühle waren unter das Sonnensegel geschoben worden. Das grüngekachelte Schwimmbecken hatte man leerlaufen lassen. Leise klatschten die Wellen an die Bordwände.
Manon lehnte sich an die Reling und hielt ihre erhitzten Wangen und ihre Stirn in die leichte Brise, die von Osten her wehte. Aber bald wurde ihr kalt. Das lag nicht an der Außentemperatur, sondern einfach daran, daß sie zuwenig anhatte. Ihre Brust schmerzte sie an den Stellen, wo Martinelli seine Zähne in sie gegraben hatte im Banne seiner Ekstase. Schwach und müde fühlte sie sich jetzt. Man hätte sagen können: Sie hatte genug.
Sie fröstelte, rieb sich mit gekreuzten Händen die Oberarme, löste sich von der Reling, wandte sich zur Brücke und stieg die eiserne Treppe hinauf, die zur Brücke emporführte.
Percy McJohn saß mit zwei Mitgliedern der Besatzung zusammen. Die drei spielten Karten.
»Guten Abend, meine Herren«, sagte Manon. »Bitte, lassen Sie sich nicht stören …«
»Wo warst du?« fragte McJohn und fuhr mit einer Lüge fort: »Ich wußte es nicht und habe dich vergeblich gesucht. Wir spielen Karten …«
Er zeigte auf ein Häufchen Münzen vor sich, wobei er hinzusetzte: »Wie du siehst, gewinne ich …«
Aber nur im Spiel, nicht in der Liebe, ergänzte er sich innerlich bitter.
»Ich habe ein warmes Bad genommen«, log auch
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