Das Teufelsweib
Tenören, sondern in allen Berufsklassen. Casanovas, die sich in Bleikammern einschließen lassen, sucht man vergebens; auch Don Juans, die mit dem Degen in der Faust den Balkon der Geliebten freifechten, finden sich keine mehr.
Martinelli hoffte immer noch vergeblich auf Schlaf. Er erhob sich von seinem Lager und ging in der Kabine auf und ab. Die vier Wände wurden ihm aber bald zu eng. Er zog sich flüchtig ein paar Klamotten an und ging an Deck.
Das Schiff schlief. Die Gänge wurden nur vom trüben Schein der Notlampen erhellt. Was am Tage schön und interessant war, fesselnd, sah jetzt düster, trostlos und abweisend aus.
Martinelli lehnte sich an eine der Stangen des Sonnendecks. Er blickte hinüber zur Küste, deren Lichter blinkten. Er fragte sich, ob es die Lichter von San Remo waren.
Egal, welche es waren, er wünschte sich nur Land unter den Füßen zu haben, das gleichbedeutend war mit mehr Sicherheit für ihn. Nur weg von dieser Hexe, weg von diesem Amokläufer namens McJohn!
Er zuckte zusammen, als ein Schritt hinter ihm hörbar wurde. Die Wache. Der Mann grüßte. Er machte die Runde.
»Sie finden keinen Schlaf, Signore?« fragte er. »Ich könnte Ihnen noch einen Whisky abtreten …«
»Danke, nein, zu freundlich«, lehnte Martinelli ab. »Ich genieße nur noch etwas die Meeresnacht. Ich erlebe das zu selten, wissen Sie.«
»Viel Vergnügen, Signore.«
Der Mann grüßte wieder und ging weiter, dem Vorderdeck zu.
Martinelli blickte ihm nach. Ob er auch in Manon verliebt ist? fragte er sich. Natürlich, warum nicht, er ist ein Mann – und einen Mann, der Manon sah und ihr nicht verfiel, gab es nicht. So sagte sich Martinelli.
Wolkenfetzen zogen über den Mond hin. Die Schatten, die dadurch entstanden, glitten über das Schiff.
Martinelli blickte auf die Uhr.
Zwei Uhr nachts.
Langsam, vorsichtig in der Dunkelheit ging Martinelli in seine Kabine zurück.
Dort ertappte er sich dabei, daß er leise eine Melodie summte.
Rigoletto.
La donna e mobile …
Ach, wie so trügerisch …
Und die Wellen des Meeres schlugen dazu an die Bordwände ihren ewigen Takt.
16
Als Dubois in San Remo eintraf, zusammen mit Marco, und im Grandhotel Pompini abstieg, neigte sich der Tag, der Abend rückte heran. Dubois mietete drei Zimmer – zwei für sich, eines für Marco – und telefonierte anschließend alle anderen Hotels der Stadt ab mit dem Ergebnis, daß man ihm allseits sagte, Mister McJohn mit Gefolge stünde nicht im Gästebuch. Auch die Hafenbehörde teilte mit, daß die Jacht des Briten nicht im Hafen ankere.
Sie sind also noch auf See, dachte Dubois, während er auf dem Dachgarten seines Hotels lag und eisgekühlten Fruchtsaft trank. Vielleicht haben sie vor, San Remo gar nicht anzulaufen, und fahren weiter nach Imperia oder dem prächtigen Vado Ligure. Überall an der wundervollen Küste der Riviera di Ponente gibt es ja zauberhafte Orte, an denen Verliebte glücklich sein können – und dies in diskreter Zurückgezogenheit.
Dubois winkte Marco, der sich immer in der Nähe seines Herrn befand und ihn nicht aus den Augen ließ, zu sich heran. Wie ein Schatten glitt Marco herbei.
»Ich muß erfahren«, sagte Dubois, »wo Madame sich jetzt befindet. Weißt du einen Weg, Marco?«
Der Diener dachte kurz nach, dann nickte er und entfernte sich stumm. Er ging auf sein Zimmer, zog sich um und fuhr anschließend zum Hafenviertel, wo er sich zur Telegrafenstation der Seewetterwarte durchfragte.
Ein einzelner mürrischer Beamter, der den Dienstschluß herbeisehnte, blickte kaum auf, als Marco über die Schwelle trat. Rasch aber änderte sich das, und die Miene des Mannes wurde strahlend. Marco ließ ihn zum Besitzer von 100.000 unverhofften Lire werden.
So kam es, daß an Bord der Jacht McJohns ein Funkspruch einlief, dem sein wahrer Zweck nicht anzumerken war:
›An alle Schiffe! Meldet Standort und Ziel der Fahrt, da Sturmwarnung vom Golf von Lyon.‹
Unter vielen Antworten war dann auch diejenige, welche allein für Marco interessant war. Er schrieb sie ab und steckte den Zettel mit zufriedenem Lächeln in die Tasche. Der Text lautete:
›Liegen innerhalb der Dreimeilenzone auf Höhe von San Remo. Laufen ein entweder bei Wetterverschlechterung oder morgen früh.‹
Als Marco zu seinem Herrn zurückkehrte und ihm Meldung erstattete, lächelte auch dieser und sprach von einer Gehaltserhöhung.
Nachdem sich das Wetter natürlich nicht verschlechterte, erschien die Jacht, auf die Dubois
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