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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Kahn
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unwahrscheinlich«, sagte er. »Es ist doch eher eine Philosophie und Erkenntnislehre.«
    Decker riss sich zusammen. »Aber wir kennen den Buddhismus doch gar nicht richtig«, sagte er mit einem hilflosen Lächeln.
     »Wer weiß, was passiert, wenn er irgendwo an die Macht kommt?«
    Ob dieser Köder genügte, um diese hinreißende Frau zu fesseln?
    Nein, es schien nicht so. Die Chinesin gab das Mikro an die Assistentin des Moderators zurück, stand auf und verließ mit einem
     lässigen Hüftschwung den Saal.
    Schockiert und mit lebhaftem Bedauern sah Dr.   Decker ihr nach. Für den Rest der Sendung war er zu nichts mehr zu gebrauchen. Das Aufbegehren des Kirchenmannes, die Sticheleien
     des Philosophen und die provokanten Fragen des Moderators prallten einfach so an ihm |31| ab. Wäre eine Schriftstellerin unter den Gästen der Sendung gewesen, hätte sie bestimmt eine Diagnose für seinen Zustand gehabt:
     Dr.   Decker hatte es schwer erwischt und die Hormone liefen Amok.
     
    Die Chinesin hingegen stand draußen im Foyer und holte tief Luft. Dann griff sie zum Handy. »Ich habe unseren Mann gefunden.«

|32| 2
    Generalmajor Tang betrat mit energischen Schritten die Eingangshalle der deutschen Botschaft in Peking. Die Absätze seiner
     Schuhe hallten laut auf dem Marmorboden.
    »Der Botschafter erwartet Sie in der Bibliothek«, sagte die junge Dame vom Empfang und begleitete ihn zügig hinauf.
Wenn einer der mächtigsten Männer Chinas mitten in der Nacht erscheint, bedeutet das Unheil
, dachte sie und klopfte an die Tür von Graf von Wittenstein. Sie vernahm ein »Herein!«, und öffnete behutsam die Tür. »Exzellenz,
     Herr Tang ist jetzt da.« Auf das Nicken des Botschafters hin bat sie den Gast hinein.
    »Vielen Dank, Exzellenz, dass Sie mich zu so später Stunde noch empfangen.« Tang lächelte angestrengt und verbeugte sich höflich.
    In Wirklichkeit hätte er diesen Besuch zu einer weniger ungewöhnlichen Tageszeit machen können, aber sein Instinkt sagte ihm,
     dass der nächtliche Auftritt dramatischer war. Misstrauisch sah er die dritte Person im Raum an, einen hochgewachsenen Deutschen
     mit grauem Bürstenhaarschnitt.
    »Für Sie immer, Kommandant«, erwiderte der Vertreter der Bundesrepublik und stellte den dritten Mann vor: »Das ist Herr Stahlmann,
     unser Fachmann für Innere Angelegenheiten.«
    |33| Um zu zeigen, dass er mit deutschen Sitten vertraut war, bot Tang Wu dem Diplomaten die Hand an, die dieser mit einem routinierten
     »Sehr angenehm« ergriff. Der Geheimdienstchef kannte Stahlmann noch nicht persönlich, aber er hatte schon einiges von ihm
     gehört.
    Bei der Durchsicht der Personalpapiere der deutschen Botschaft war ihm dieser Mann sofort ins Auge gefallen, denn seine Position
     als angeblicher ›Berater für Innere Angelegenheiten‹ schien nicht nur mit umfangreichen Sondervollmachten ausgestattet zu
     sein, sondern wurde – und das war höchst ungewöhnlich – seit einem Vierteljahrhundert von ein und derselben Person ausgefüllt.
     Jeder neue Botschafter hatte auch diesen Mann übernommen. Offiziell wurde dieses Vorgehen damit begründet, dass es um die
     Pflege von gewachsenen Beziehungen ginge. Seltsam nur, dass keine andere westliche Botschaft eine solche Position eingerichtet
     hatte. Für welche »Inneren Angelegenheiten« war der Mann eigentlich zuständig? Für die inneren Angelegenheiten Deutschlands?
     Oder womöglich für die seines Gastlandes? Wahrscheinlich war der Kerl ein Mann vom Geheimdienst.
    Intern wurde Stahlmann »der Butler« genannt, weil er dem Botschafter das Leben erleichterte, indem er alle heiklen Aufgaben
     übernahm. Er kannte für alles die richtigen Leute und verfügte über Kontakte bis in die Verbotene Stadt. Vielleicht war er
     deshalb so unverzichtbar geworden.
    Tang Wu passte es allerdings ganz und gar nicht, dass dieser Mann anwesend war. Der Botschafter spürte das und sagte: »Sie
     können offen reden, Herr Stahlmann ist mein engster Vertrauter und in alle Vorgänge eingeweiht.«
    |34| Tang Wu fixierte den Attaché und prüfte sekundenlang seinen Blick. Nach Jahren im Geheimdienst war Misstrauen bei ihm zur
     Gewohnheit geworden.
    »Nun, was verschafft mir die Ehre?«, unterbrach der deutsche Botschafter den Moment der Stille.
    Tang Wu ließ vom
Butler
ab und wandte seinen Blick dem Botschafter selbst zu. »Ich bringe leider nichts Gutes. Wir haben einen mysteriösen Mordfall.«
    »Das ist sehr bedauerlich«, sagte Graf von Wittenstein

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