Das Titanic-Attentat
Luft), der direkt zum Ertrinken führen kann – zum Glück nicht immer muss. Häufig folgt ein vom Willen nicht unterdrückbares schnelles Atmen (Hyperventilation), durch das es sogar zu Krämpfen (Tetanie) kommen kann.«
Die Fähigkeit zu tauchen ist interessanterweise besonders eingeschränkt: Schon bei einer Wassertemperatur von 15 Grad Celsius ist die Fähigkeit zum Luftanhalten um 70 Prozent reduziert, bei zehn Grad könne man nur noch für etwa zehn Sekunden die Luft anhalten. »Wenn das kalte Wasser in die Ohren eindringt, wird zusätzlich das Gleichgewichtsgefühl beeinträchtigt. Die Folge kann ein fataler Verlust der Orientierung unter Wasser sein« – statt aufzutauchen, könne es passieren, dass man noch tiefer taucht.
Wie und warum kippte Boot B?
Wie mag das erst bei minus zwei Grad kaltem Wasser sein? So gesehen, waren Gracie, Lightoller und die anderen Insassen von Boot B also wirklich die reinsten Supermänner. Nach ihren Schwimm- und Tauchkunststücken schafften sie es auch noch, sich patschnass auf das umgekippte Klappboot zu ziehen und dort die restlichen Stunden total durchnässt bei Lufttemperaturen unter dem Gefrierpunkt auszuharren. Dabei ist ebenfalls bekannt, dass Menschen in eiskaltem Wasser sehr schnell die Kräfte verlieren und dass viele daher sogar in unmittelbarer Nähe von rettenden Booten oder dem Ufer erfrieren oder ertrinken. Einfach weil die Lähmung durch die Kälte zu stark wird.
Interessanterweise glichen sich die Geschichten der Menschen, die sich an Bord von Boot B gerettet hatten, wie ein Ei dem anderen. Ein weiteres Beispiel ist der Chefbäcker Charles Joughin. Er will von dem sinkenden Heck aus ins Wasser gelaufen sein, ohne dass sein Haar dabei nass geworden sei, und er behauptete, sich stundenlang an das umgekippte Boot B geklammert zu haben, ohne an Bord gekommen zu sein – und ohne irgendwelche gesundheitlichen Folgen davongetragen zu haben. Kein nasses Haar und auch keine sonstigen Probleme klingen jedoch nicht danach, als sei der Mann überhaupt länger im Eiswasser gewesen.
Oder nehmen wir den Küchenjungen John Collins. Auch er muss sich auf dem Bootsdeck zunächst noch in der Nähe von Klappboot B aufgehalten haben. Wie Lightoller sei auch er während des Sinkens der
Titanic
vom Bootsdeck gespült und von irgendeinem Wrackteil für zwei bis drei Minuten unter Wasser gehalten worden, bis er sich schließlich frei machen und auftauchen konnte. Da sah er Boot B, auf dem sich bereits ein Mann befunden habe: »Ich kam an die Oberfläche, blickte mich um, und ich sah nur die Lichter und weiter nichts. Ich sah dann nach vorne und sah das Klappboot und begab mich dorthin.« [208] Er sei hinübergeschwommen und habe sich ebenfalls auf das gekenterte Boot gezogen.
Zwei bis drei Minuten in minus zwei Grad kaltem Wasser tauchen? Die meisten von uns schaffen das wohl noch nicht einmal in lauwarmem Adriawasser. In eiskaltem Wasser ist das, wie bereits dargelegt, unmöglich, da die Fähigkeit, die Luft anzuhalten, extrem nachlässt. All diesen Geschichten ist das Element des langen Untertauchens gemein.
Interessanterweise wird dadurch vollkommen ausgeblendet, wie und warum Boot B eigentlich umkippte. Die langen Tauchgänge und die regelrechten Abenteuer unter Wasser sind die Erklärung, warum sie nicht mitbekamen, was mit Boot B geschah, nachdem es angeblich von Bord gespült worden war.
Als Lightoller und Gracie aus der Versenkung auftauchten, lag Boot B ja angeblich bereits umgestürzt im Wasser. Über das Klappboot A auf der Steuerbordseite der
Titanic
werden ähnlich unwahrscheinliche Geschichten erzählt. Zwar sei dieses Boot aufrecht über Bord gegangen, allerdings seien dabei die flexiblen Bordwände des Klappbootes nicht hochgezogen worden. Dadurch sei es voll Wasser gelaufen, so dass diejenigen, die es schließlich schafften, an Bord zu gelangen, stundenlang bis zur Taille im Eiswasser gesessen hätten.
Lauter Leichen in Schwimmwesten
Auch Gardiner hat bereits festgestellt, dass man den Überlebenden an Bord von Boot A und B kein Wort glauben kann: »Man wird sich daran erinnern, dass es eine sehr kalte Nacht war, mit Luft- und Wassertemperaturen unterhalb des Gefrierpunktes. Kein Mensch kann mehr als einige Minuten in so kaltem Wasser überleben, und durchnässt wie sie waren, wären sie selbst an Bord von Boot B oder Boot A nicht besser dran gewesen. Deshalb müssen alle, die diese Nacht angeblich auf oder in Boot B oder A überlebt haben, lügen.
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