Das Todeshaus
regen Sie sich doch nicht gleich so auf. Sind Sie nicht viel zu jung, um sich mit so einem Haufen abzugeben?«, fragte er und nickte in Richtung der Leute, die Miss Mamie gerade begrüßte. »Was hat ein Jungspund wie Sie auf einem Trip wie diesem zu suchen?«
»Ich habe eine Förderung vom Kunstrat von North Carolina und Korban Manor erhalten.« Mason sah wieder aufs Feuer. Zwischen den leuchtenden Farben schwirrten keine Gesichter mehr herum. Er hörte auch keine Stimmen. Er zwang sich, zu entspannen.
»Ein echter Künstler also? Nicht so wie die«, fragte Roth und verdrehte die Augen in Richtung der gut gekleideten Gäste. »Die meisten von denen brauchen ein Künstlerrefugium so sehr wie einen weiteren Investmentfonds. Ein Haufen von Tweedjackenträgern, deren größte Anstrengung darin besteht, getrocknete Bohnen auf einen Fetzen Jutesack zu kleben.«
Noch so ein Kritiker, der über die noch unentdeckten Talente anderer urteilte. Zumindest haben sie für sich selbst bezahlt – im Gegensatz zu Mason. »Aus welchem Teil von England stammen Sie?«
»In mir steckt nicht mal ein Fünkchen eines Briten«, erwiderte er. »Zu Armeezeiten war ich eine Weile dort drüben stationiert und habe ein bisschen von dem Akzent aufgeschnappt. Schindet Eindruck bei den Frauen.« Er zwinkerte mit einem seiner rauchgrauen Augen.
»Ich nehme an, Sie sind hier, um Fotos zu schießen.« Mason war in Adderly mit einem Mädchen ausgegangen, die ein Buch mit Roths Arbeiten besessen hatte. Er fotografierte Landschaften, Tiere, Pflanzen und Architektur. Ab und zu waren auch Porträtfotos dabei. Er konnte nicht mit dem düsteren Glamour von Leibovitz oder der intuitiven Sensibilität von Mapplethorpe mithalten, doch seine Aufnahmen zeugten auf ihre ganz spezielle Weise von unverblümter Ehrlichkeit.
»Ich werde von ein paar Magazinen finanziert«, antwortete Roth. »Ich muss ein paar Bilder im Stil von ›Haus und Garten‹ und ›Bezaubernde Berglandschaften‹ machen, diese Art von Schrott. Die Brücke will ich aber auf jeden Fall fotografieren. Sie sagen, es sei die höchste Holzbrücke in den südlichen Appalachen.«
»Das glaube ich gern. Mir wird schwindlig, wenn ich nur an sie denke.«
»Sie haben Höhenangst?«
»Dort wo ich herkomme, sind die Gebäude nicht höher als zwei Stockwerke, mal abgesehen von den Silos. Mit Treppen kann ich umgehen, aber mit Leitern habe ich so meine Probleme. Einhundert Meter in die Tiefe blicken—«
»So einen Abgrund haben Sie hier auf jeder Seite«, sagte Roth, nahm sich einen weiteren Drink und genoss es, wie Masons Gesicht erblasste. »Korban mochte die Abgeschiedenheit. Er wollte, dass sein Anwesen dem eines europäischen Schlosses glich.«
Roth erhob sein Glas und prostete Korbans Porträt zu. »Auf dich, alter Fiesling.«
Masons Tasche wurde langsam schwer. Er konnte es kaum abwarten, auf sein Zimmer gebracht zu werden und die Stücke fertig zu planen, an denen er arbeiten wollte. Außerdem nervte ihn Roths Akzent.
Eine hübsche, ganz in Schwarz gekleidete Frau kam die Treppe hinunter. In ihrem Kleid sah sie aus, als wäre sie einem gotischen Roman entsprungen. Um ihre schmalen Schultern hing ein Spitzenschal. Anscheinend war sie eine Art Empfangsdame. Sie führte ein Pärchen von Miss Mamies Gruppe weg. Der Mann in den Fünfzigern, mit Doppelkinn und mürrischem Gesichtsausdruck, die Frau mit blauen Augen und einem ebenmäßigen Teint wie vom Titelblatt einer Jugendzeitschrift. Zusammen gingen sie die Treppe hinauf. Mit einem Räuspern brachte der Mann seine riesigen Backen zum Beben.
»Den schnapp ich mir später vielleicht noch«, sagte Roth. »Eventuell an einem Rollschreibtisch mit Federkiel in der Hand. Persönlichkeitsfotografie ist zwar nicht so mein Ding, aber dafür könnte ich ein hübsches Sümmchen kassieren.«
»Wen?«
Roth lächelte ungläubig. »Jefferson Spence.«
»Meinen Sie den Jefferson Spence? Den Romanautor?«
»Den einzig wahren und wahrhaftigen. Den letzten großen Südstaatenautor. Die Verkörperung von Faulkner, O’Connor und Wolfe in einer Person.«
Mason sah zu, wie sich der Schriftsteller die Treppen hinaufmühte. »Was sucht der denn auf einer Künstlerklausur?«
»Futter. Sie wissen nicht sehr viel über ihn, nicht wahr?«
»Ich habe nie ein Buch von ihm gelesen. Ich stehe mehr auf Erskine Caldwell.«
»Ein Kritiker hat Spences Erzähltechnik mal als ›Schwulststrom‹ bezeichnet.«
Mason lachte. »Es war ein netter Zug von ihm, seine
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