Das Todeshaus
konzentrierte sich in der Dunkelheit des Zimmers auf das Streichholz, das sie an einem Stein entfachen wollte.
Plötzlich erhob sich eine Stimme, gedämpft und voller Verzweiflung, aber alles andere als tot.
»Feu … Feuer«, sagte sie.
Sylvas Herz machte einen kleinen Satz wie ein erschrockener Hase. Ephram Korban war im Zimmer, in seinem Bett. Sie wagte nicht, in seine Richtung zu sehen, doch dieselbe Macht, die ihre Glieder scheinbar schwer wie Blei machte, zwang sie, ihren Kopf langsam zum Bett zu drehen. Sie öffnete die Augen und sah nichts als schwarze Dunkelheit.
»Sprich den Zauber«, sagte er mit etwas mehr Nachdruck, schon beinahe wütend, wenn auch noch immer gedämpft, als ob er unter einer schweren Decke läge.
Sie nickte langsam, obwohl er sie im Dunkeln nicht sehen konnte. Auch sie konnte ihn nicht sehen. Und dennoch …
Als sie auf das Bett blickte, formte sich aus ihren Erinnerungen langsam Ephrams Gestalt und sie konnte ihn dort liegen sehen, mit strengem Gesicht, während sich sein Haar und sein Bart wallend über die Kissen ergossen. Der stattliche, schöne Ephram, der noch nie in seinem Leben krank gewesen war. Ephram, der jung und stark geblieben war, während die Arbeiter und die Einheimischen mit ihrer faltigen Haut, ihren alten Geschichten und ihrem müden, schwindenden Atem langsam immer schwächer wurden. Ephram, von dem sie behaupteten, dass er niemals schlafen würde.
Zwei kleine Lichtpunkte schwebten in der Dunkelheit über dem Bett, ein schwaches Leuchten, das Einzige im ganzen Zimmer, das sie sehen konnte. Sie versuchte, den Blick abzuwenden und noch ein Streichholz anzuzünden, obwohl sie mittlerweile aus ihrem Wachschlaf gerissen worden war und sich nun in einem Zustand hilflosen Gewahrwerdens befand.
Sie war es, die die Bettlaken wusch. Sie wusste, auf welcher Seite des Bettes er schlief. Die Punkte wurden größer und leuchteten nun in der Nähe des Kopfendes, wo die Kissen lagen. Dort, wo sie Ephrams Augen vermutete.
Die Punkte glühten dunkelrot wie verglimmende Kohlen.
»Ruf das Feuer zurück«, sprach er mit rauer Stimme, und ein scharfes, gelbes Flackern funkelte zwischen den roten Punkten auf. Sie wurde von seinen flammenden Augen geblendet und konnte den feuchten Tränenschleier fühlen, der sich über ihre Augen legte. Mit einem Ruck zog sie das Streichholz über den Stein. Es fing Feuer. Schnell hielt sie es an das Papier. Endlich konnte sie den Blick von diesem unheimlichen Bett und diesen Furcht einflößenden Augen abwenden. Und nun musste sie die schrecklichen Worte aussprechen, die Mutter sie gelehrt hatte.
Den Zauber.
Leise stieß sie die Worte hervor und hoffte, dass sie durch ihr Flüstern deren Macht abschwächen konnte. »Weiche Frost, bring Feuer. Weiche Frost, bring Feuer. Weiche Frost, bring Feuer.«
Das Feuer erwachte zum Leben und sie legte kleine Holzscheite auf den Kaminrost. Während das Holz vor sich hinknisterte und die Wärme sich auf ihr Gesicht legte, fühlte sie, wie ihre Glieder allmählich ihre Kraft zurückgewannen und die Schmerzen auf ihrer zerkratzten Haut nachließen.
Nun da der Raum vom Licht des Feuers erhellt war, wagte sie es nicht, sich umzudrehen. Um beschäftigt zu wirken, stapelte sie eifrig einen Nachtvorrat an Holzscheiten auf das Kaminbesteck. Die Tränen auf ihren Wangen waren getrocknet, doch sie konnte die salzigen Spuren fühlen, die sie hinterlassen hatten. Sie wusste, dass sie sich in Schwierigkeiten gebracht und das unvergesslichste aller Vergehen begangen hatte. Jetzt konnte sie nur in die Flammen starren, die wie gelbes, rotes und blaues Wasser den Kamin hinaufflossen.
Eine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter. Sie blickte auf und sah Ephram über sich stehen. Er lächelte. Seine Augen waren tief und dunkel und wunderschön, im Lichte des Feuers zum Leben erwacht.
Wie albern von mir, zu denken, sie wären rot.
»Es tut mir leid«, sagte sie, kaum hörbar unter dem Knacken der heißen Holzscheite und dem lauten Hämmern ihres Herzens. »Ich wollte nicht zu spät kommen.«
Ephram sagte nichts, sondern führte seine Hand von ihrer Schulter zu ihrer Wange und unter ihr langes Haar, bis sein Daumen ihr Ohr streifte. Trotz des prasselnden Feuers zitterte sie.
Sie konnte nicht anders und musste all die schönen Dinge um sich herum betrachten. Den ovalen, eingefassten Spiegel über der Kommode. Die Samtvorhänge, die wie dunkle, lilafarbene Wasserfälle die Fenster hinabliefen. Die weiche Seidenspitze, die
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