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Das Todeshaus

Das Todeshaus

Titel: Das Todeshaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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hatte Angst, aber sie hatte ihren Glauben. Der aufgehende Mond überzog den Berg mit einem kühlen Schimmer. Es schien fast so, als ob der Tag in ein neues Licht getaucht wurde. Vielleicht stimmte das ja auch. Vielleicht brach in diesem Moment ein neuer Tag an, der endlose Nacht verhieß. An dem die Dinge neu geboren, dunkle Versprechen gehalten und gebrochen wurden. An dem Zaubersprüche so gewichtig wie Gebete waren.
    Ohne anzuklopfen stieß Sylva die Tür auf. Ephram wusste, dass sie hier war, das war klar. Sie musste sich also nicht heranschleichen. Und die anderen, die trieben in den Wänden ihr Unwesen, wirbelten im Keller umher, drangen durch die Risse in den Kaminplatten.
    Der Anblick von Ephrams Porträt raubte ihr fast den letzten Atemzug. In unzähligen Träumen war ihr dieses Gesicht erschienen. Die eine Hälfte davon waren Albträume, die andere Hälfte waren so anzüglich, dass man sich beim Aufwachen dafür schämte.
    »Schau mich an«, flüsterte sie.
    Mit seinen dunklen, gemalten Augen starrte Ephram auf sie herab.
    »Ich bin alt«, sagte sie. »All diese Jahre habe ich mich durch meine Zaubersprüche am Leben gehalten. Habe ausgeharrt und auf diesen für dich so bedeutenden blauen Mond gewartet. Hier bin ich also und frage mich, was du nun vorhast.«
    Das Porträt stürzte von der Wand, der schwere Rahmen zersplitterte, die Leinwand rollte sich zusammen. Wenn ein Bild herunterfiel, war das ein sicheres Zeichen dafür, dass das Motiv sterben würde. Aber wenn das Bild einer toten Person herunter fiel, dann …
    Die Flammen preschten aus dem Kamin, streckten ihre wärmenden Finger nach Sylva aus. Sie erinnerte sich an diese eine Nacht, damals in Korbans Schlafzimmer, als er tief in ihr drinnen den Samen von Rachel gesät hatte. Diese kalte Nacht voller heißer, brennender Leidenschaft würde sie niemals vergessen.
    Und heute war wieder so eine Nacht verbotener Hitze, eine Nacht von Frost und Feuer. Sie ging zu den Treppen, ließ Ephram mit dem Gesicht nach unten auf dem kaminwarmen Dielenboden zurück. Da oben auf dem Witwensteg warteten sie alle unter dem aufgehenden Mond. Anna, Miss Mamie, Lilith. Ephram würde bald bei ihnen sein und Sylva wollte sein Erscheinen auf keinen Fall verpassen.
    Mit pochendem Herzen, das Zaubersäckchen zwischen den Fingern zusammengepresst, stieg sie die Treppen hinauf.

 
     
     
    62. KAPITEL
     
    Mason stürzte sich in den Lichtschein des Korridors, als ob dieser heilende Kräfte besaß. Panisch schlug er die Kellertür hinter sich zu, ließ den Metallriegel ins Schloss schnappen. Warum konnte man die Tür von außen absperren? Was wurde da unten im Keller aufbewahrt, das man unbedingt unter Verschluss halten musste?
    Jetzt, da er dem bedrückenden Keller entflohen war, wurde sein Kopf ein wenig klarer. Und die Gedanken, die sich ihm nun offenbarten, waren fast genauso Furcht einflößend wie der kreative Wahnzustand, der ihn von innen aufgezehrt hatte. Er lehnte sich gegen die Tür, das Herz pochte ihm bis zum Hals.
    Ruhig Blut, Mase. Falls du es vergessen hast: Dieser Typ ist seit achtzig Jahren tot und du denkst, eine TÜR könnte ihn aufhalten?
    Korban war klobig und steif gewesen, als er sich in der Statue manifestiert hatte. Deshalb ging sein Geist oder seine Seele oder was auch immer in Gegenstände über, die von Menschenhand geschaffen waren. Weil Korban diese Energie brauchte, diese Schöpfung, die ihn zum Leben erweckte.
    Dann könnte er jetzt vielleicht auch in die TÜR schlüpfen und sein Gehirn aus Sägespänen speisen? Schließlich muss ER sich ja nicht an irgendwelche Regeln halten.
    Frustriert schlug Mason mit der Faust gegen die Tür. Die Tür antwortete mit einem Donnergrollen, wurde von der anderen Seite in Stücke gehackt. Mason schaute den Korridor entlang.
    »Hilfe«, schrie er. Irgendjemand würde das Hämmern an der Tür hören und nach dem Rechten sehen. Plötzlich vernahm er Schritte. Die Tür der Speisekammer wurde aufgeschwenkt.
    »Gott sei Dank«, rief Mason erleichtert und trat von der Kellertür zurück, die unter dem Hämmern zersplitterte. »Da ist ein—ähm—«
    Mason suchte noch nach den passenden Worten, als er schon bemerkte, dass das gar nicht nötig war. Aus der Küche kam die Köchin, in ihren Wurstfingern hielt sie ein Hackbeil. Er konnte nicht nur die glänzende Klinge sehen, sondern auch den Holzgriff in ihrer durchsichtigen Hand.
    Sie war aus der gleichen milchigen Substanz wie Ransom und George.
    Das bedeutete—
    Mason

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