Das Todeshaus
wie auch der Schweißgeruch unter seinen Armen verriet. Für Roth musste das Atelier wie der Umkleideraum eines Fitnessstudios stinken. Mason kniete sich hin, hob sein Shirt auf, schüttelte die Holzspäne ab und zog es wieder drüber. Er blickte zur Statue und fühlte sich schuldig, weil er seine Arbeit vor kurzem noch abbrechen wollte.
»Was machen Sie hier unten?« fragte er Roth, bevor sich seine Gedanken wieder nur um Korban kreisen konnten.
»Ich wollte ein paar Negative entwickeln. Miss Mamie sagte, ich könne den Weinkeller dafür benutzen. Hier unten ist es ja dunkel genug, finden Sie nicht auch?«
»Und warm. Wahrscheinlich wird der Hausofen volle Kanne befeuert. Er steht da drüben auf der anderen Seite der Wand. Alle drei bis vier Stunden hört man, wie jemand Holz nachlegt.«
»Dieser Korban war wohl nicht gerade der Typ, der sich für den Schutz unserer Wälder einsetzt.«
Erneut betrachtete Mason die Statue. »Klingt vielleicht verrückt, aber mitunter ist er ja selbst der Wald.«
»Gehen Sie mal an die frische Luft, Mason. Sie fangen an, wirres Zeug zu reden.«
»Ja, vielleicht haben Sie recht.«
»Entspannen Sie sich, haben Sie ein bisschen Spaß.« Roth grinste listig wie ein Fuchs. »Versuchen Sie mal Ihr Glück bei diesem Paradiesvogel Anna. Sie ist genau Ihre Kragenweite.«
»Nein, danke. Ich habe schon genug um die Ohren. Ich geh lieber was essen, damit ich dann hier weitermachen kann.«
Auf den Treppen warf Mason einen letzten Blick auf die Statue, die Ephram Korban werden würde. Mit diesem Werk würde er brillieren. Dennis Graves würde vor Eifersucht und Neid seinen Hammer verschlingen. Schon bald würde sich seine Kreation in ihrer ganzen gottesgleichen Herrlichkeit offenbaren.
43. KAPITEL
Spence musste weinen.
Die Schönheit und Eleganz seiner Prosa fegten über ihn wie die finstere Flut in seinem Roman. Er fühlte es kommen. Mit jedem Satz, jeder Präposition, jedem Satzzeichen näherte er sich dem WORT.
Sein Tippen brachte die Tasten zum Singen, das »Ping« am Ende jeder Zeile verkündete melodisch die bevorstehende Herrlichkeit. Das Sonnenlicht, das durch das Fenster drang, erhellte den Raum. Dennoch konnte Spence die Seite kaum sehen, so dicht war sein Tränenschleier. Aber er musste auch nichts sehen. Der Ghostwriter in ihm nötigte seine Finger, ließ sie über die Tastatur fliegen, zwang die Worte, die schon längst nicht mehr seine eigenen waren, aus ihm heraus.
Spence fragte sich, ob es irgendeinen Unterschied machen würde. Das Wort Autor war vom Wort Autorität abgeleitet. Er war schon immer stolz darauf gewesen, dass er die Sprache meisterte, sie im wahrsten Sinne des Wortes beherrschte. Dass er mit den Buchstaben jonglieren, mit Worten verzaubern konnte. Dass Verben und Substantive ihm kunstfertig aufs Papier glitten. Aber hier ging es um das Schreiben frei von jeden Hemmungen, um die tiefere Sprache, um die feinen Diskrepanzen zwischen den gesprochenen und gedachten Worten. Hier ging es darum, den Kern der Wahrheit ans Licht zu bringen.
Er bekam kaum mit, dass Bridget auf dem Bett lag. Er würde sich später, bei Einbruch der Dunkelheit, um sie kümmern. Sein Körper erstarkte wieder, durch seine Adern floss frisches Blut, seine Motivation trug neue Früchte. Das Geschenk und der Segen des WORTES. Schon immer hat der Akt des Opferns denjenigen beflügelt, der das Opfer bringt.
Das Zimmer war kalt. Auch das Feuer, das den Kamin heraufkroch, als ob es sich nach der Freiheit des Himmels sehnte, spendete keine Wärme. Seine Finger prickelten vor Kälte, waren fast schon taub. Trotzdem hämmerten sie immer weiter in die Tasten, klirrten auf der Schreibmaschine wie Eiswürfel in einem Glas. Ephram Korban blickte vom Porträt auf Spence herab. In seinen dunklen Augen spiegelten sich die Drehungen und Wendungen der Handlung, er war seine Inspirationsquelle schlechthin.
Bridget kann warten, ungeduldig und leidend im warmen Bett. In diesem Moment zählte nur die Seite. Die letzte Seite.
Spence seufzte. Das Ende war immer wie ein kleiner Tod.
Diese bittersüßen Worte. »Ende.«
Vielleicht war Ende das eine wahre WORT.
Das einzige Wort, das jemals bedeutend war.
44. KAPITEL
Bei Annas Rückkehr hatte sich das Anwesen scheinbar nicht verändert, alles schien beim Alten geblieben zu sein. Das Haus hieß sie willkommen mit seinen dunklen, vertäfelten Wänden, seinen hohen Decken und dem Feuer, das im Kamin im Foyer loderte. Und
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