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Das Todeskreuz

Titel: Das Todeskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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gültigen Regeln hinwegzusetzen und auch Patienten
zu behandeln, die sich eine Behandlung nicht leisten konnten,
weil die Kasse die Kosten entweder nicht voll übernahm oder sie
gar nicht krankenversichert waren. Er hat trotzdem einige solcher
teuren Eingriffe durchgeführt und ist damit natürlich auf heftigen
Widerstand gestoßen. Er wurde gemobbt, und schließlich landete
er wegen dieses vermeintlichen Kunstfehlers vor Gericht. Es
ging um eine kleinere Herzoperation, einen Bypass, aber der Patient
verstarb während des Eingriffs. Die gesamte Schuld wurde
Kuntze in die Schuhe geschoben, obwohl er jeden Eid darauf
schwört, dass es ein bewusst herbeigeführter Fehler des Anästhesisten
war. Aber keiner hat ihm geglaubt. Er verlor den Prozess,
seine Approbation, seine Frau ließ sich von ihm scheiden und
nahm gleich das ganze Hab und Gut mit und plünderte das Konto,
so dass er schon bald ohne auch nur einen einzigen Cent auf
der Straße stand. Er ist von ganz, ganz oben nach ganz, ganz unten
gefallen.«
    »Er hätte doch in Berufung gehen können.«
    »Wie denn? Er hatte kein Geld und damit auch keine Freunde
mehr, wie es eben im wahren Leben so ist. Das ist seine Geschichte.
Er wohnt seit etwa vier Jahren in diesem Wohnwagen,
obwohl es eigentlich verboten ist, aber die, die jetzt dort leben,
werden von der Stadt geduldet.« Er holte tief Luft und fuhr nach
einem weiteren Schluck Bier fort: »Und jetzt sag mir noch einmal,
dass jeder eine Chance hat. Er hat keine, es sei denn, irgendwer
würde bezeugen, dass Kuntze damals keinen Fehler
gemacht hat. Doch so jemanden wird man nicht auftreiben. Die
sind alle froh, ihn los zu sein. Aber weißt du, was ich an ihm
so bewundere? Seinen nie versiegenden Lebensmut, seinen Optimismus,
seine Warmherzigkeit und dass er nie aufgegeben hat,
an das Gute im Menschen zu glauben. Und jetzt sag mir ganz
ehrlich, ist dein Leben wirklich so beschissen, ungerecht und
sinnlos?«
    »Es kommt doch immer drauf an, aus welcher Perspektive
man es betrachtet, oder? Außerdem kannst du mir nicht weismachen,
dass er am Anfang nicht auch den Glauben an Gott und die
Welt verloren hat. Sein Glück war, dass er sich wieder gefangen
hat.«
    »Und genau das wirst du auch tun, dich fangen. Im Übrigen
gibt es noch zwei auf dem Platz, die ein ähnliches Schicksal erlitten
haben. Der eine war Anwalt, der andere ein wohlhabender
Kaufmann, der von seinem Geschäftspartner übers Ohr gehauen
wurde und von einem Tag auf den andern ruiniert war. Und das
Kuriose ist, dass auch den beiden die Frauen davongelaufen sind.
Ich wollte dir nur zeigen, wie gut es dir und mir geht. Wir haben
unsere warmen Wohnungen, wir haben genug zu essen, und wir
können uns die eine oder andere Kleinigkeit leisten, von der
Kuntze und seine Kumpels nicht einmal zu träumen wagen. Stell
dir nur mal vor, du würdest von jetzt auf gleich deinen Job verlieren,
dein Auto, die Wohnung, dein Konto würde gesperrt und so weiter und so fort. Was dann? Daddy? Aber wenn's keinen Daddy
mehr gibt...«
    »Bleibst du hier?«, fragte sie völlig unvermittelt und ohne auf
seine Ausführungen einzugehen, und sah ihn wieder mit diesem
seltsamen Blick an, wie vorhin, als er ihr aus dem Auto half. Ein
Blick, der mehr sagte, als tausend Worte es vermocht hätten.
Zart, bittend, verletzlich und so ganz anders als der Blick der
Staatsanwältin Elvira Klein, wenn sie durch die Gänge und Büros
rauschte und sich als überaus stark und unnahbar und bisweilen
sogar kalt wie ein Eisklotz präsentierte. Aber dies war nicht
die echte Elvira Klein, sondern nur ihre Fassade, ein Schutz gegen
die Umwelt, ein Panzer, der sie unantastbar machte und ihr
potenzielle Feinde vom Leib hielt. Und bis vor wenigen Stunden
noch hatte Brandt geglaubt, er würde zu ihren Feinden zählen,
und mit einem Mal suchte sie seine Nähe.
    »Meinst du, das ist eine gute Idee?«
    »Sag du's mir. Ich bin in solchen Dingen ziemlich unerfahren.
«
    »Ich bin auch nicht gerade der Aufreißer.«
    »Ich kann blasierte Aufreißer auf den Tod nicht ausstehen«,
erwiderte sie mit verlegenem Lächeln.
    »Okay. Aber wir lassen's langsam angehen«, sagte er ernst.
»Ganz langsam. Und wir werden eine Menge zu reden haben.«
    Sie legte eine Hand auf sein Knie und meinte: »Ganz langsam,
versprochen. Wir sind ja wohl beide nicht gerade spontan. Und
übereinander herfallen wie die Wilden werden wir bestimmt auch
nicht. Das liegt uns

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