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Das Todeskreuz

Titel: Das Todeskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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dass
jeder, der mit ihr zu tun hatte, wusste, dass an sie kein Rankommen
war. Das waren doch nur Sie, Leslie und Dr. Frantzen.«
    »Für eine Frau wie Corinna reichte das auch. Und zu ihrem
Spiel zählte auch die Angst. Irgendwann habe ich sie durchschaut
und festgestellt, dass es ein Druckmittel war, das sie gerne und oft
einsetzte. Wie zum Beispiel, wenn sie sich nachts einsam fühlte
und mich anrief und zu sich bestellte. Sie wollte Aufmerksamkeit
um jeden Preis, und sie wollte körperliche Nähe. Sie war keine
klassische Angstpatientin, aber sie kannte sich mit der Angst und
ihren Symptomen bestens aus. Sie konnte auf Kommando hyperventilieren,
einen hysterischen Anfall vortäuschen und so weiter.
Dabei sind zwei der Hauptmerkmale bei Agoraphobikern die
Angst vor der Angst und die Angst vor dem Alleinsein. Sie war
aber relativ häufig allein, ohne dass es ihr etwas ausgemacht hat.
Und ihre Arbeit hat sie auch akribisch erledigt, obwohl sie getrunken
und Medikamente geschluckt hat. Ich denke, ihre Psyche hat
dabei eine wesentliche Rolle gespielt, denn Corinna hat stets die
Kontrolle bewahrt. Sie war die mit Abstand stärkste Frau, der ich
je begegnet bin. Stark, stur, durchsetzungsfähig, konsequent und
äußerst dominant. Dieser endgültige Bruch mit ihren Eltern ist im
Übrigen ein Beleg dafür. Irgendwann wäre der Tag gekommen, wo
sie uns alle ausgelacht und das Haus verlassen hätte, ohne sich
noch einmal umzudrehen.«
    »Das ist ganz schön heftig. Sind Sie überzeugt von dem, was
Sie da gerade gesagt haben, oder ist das mehr eine Vermutung?«
»Überzeugt klingt so endgültig. Nein, überzeugt bin ich nicht,
ich kann mich genauso gut irren. Wenn ich aber alle Erlebnisse
und Fakten aus den vergangenen zehn Jahren zusammennehme,
würde ich sagen, dass ich zu fünfzig Prozent überzeugt bin.
Wirklich durchschaut habe ich sie eigentlich nicht, dazu hatte sie
zu viele Mauern um sich gebaut.«
    »Im Haus wurde eine ganze Apotheke sichergestellt, hauptsächlich
Beruhigungsmittel. Wer hat die verschrieben?«
    »Eine Ärztin.«
    Durant erinnerte sich, wie Leslie gestern von einer Ärztin gesprochen
hatte, was sich mit der Aussage von Alina Cornelius
deckte. »Und wie heißt diese Ärztin?«
    »Dr. Jürgens.«
    »Und weiter? Wo hat sie ihre Praxis und ...«
    »In Eschersheim. Ich kann Ihnen die Adresse gerne geben.«
    »Und kam Dr. Jürgens auch hin und wieder zu Frau Sittler
nach Hause?«
    »Etwa einmal alle zwei bis drei Monate. Aber wenn Corinna
Medikamente brauchte, hat sie die telefonisch bestellt, und ich
hab sie abgeholt.«
    Durant atmete tief ein und ärgerte sich über die zähflüssige
Unterhaltung. »Hat sie jemals davon gesprochen, dass sie noch
bedroht wurde, nachdem sie überfallen wurde?«
    »Nein. Sie hatte eine Geheimnummer, und solange ich zurückdenken
kann, gab es nie einen Drohanruf. Auch mit der Post
kam nie etwas Derartiges.«
    »Aber offenbar hatte ihre Angst doch einen realen Hintergrund,
sonst wäre sie nicht umgebracht worden.«
    »Mag sein, dass sie mir bestimmte Dinge vorenthalten hat,
obwohl ich das nicht glaube, denn hätte sie Anrufe oder entsprechende
Post erhalten, hätte sie es mir erzählt.«
    »Sicher?«, hakte Durant zweifelnd nach.
    »Da können Sie Gift drauf nehmen. Wie ist sie eigentlich gestorben?
Hat sie sehr leiden müssen?«
    »Nach den ersten Erkenntnissen nicht. Über die Todesursache
darf ich Ihnen leider keine näheren Informationen geben.«
    »Verstehe.«
    »Was ich aber nicht verstehe, ist, warum Sie bei ihr eine Stelle
als Hausdame angenommen haben, obwohl Sie doch sicher leicht
eine eigene Praxis hätten eröffnen können? Warum haben Sie Ihren
Beruf aufgegeben?«
    »So einfach, wie Sie denken, ist das auch nicht. Ich hatte erstens
gar nicht das Geld, um mir eine eigene Praxis einzurichten,
und bei Kollegen unterzukommen war damals unmöglich. Psychologen
sind ziemlich eigenbrötlerisch. Aber das tut nichts zur
Sache. In der Anzeige stand, dass eine Hausdame gesucht wird,
psychologische Kenntnisse und Einfühlungsvermögen vorausgesetzt.
Allein das Wort -vorausgesetzt- machte mich neugierig. Ich
war sechsundzwanzig und empfand das als eine Herausforderung.
Und glauben Sie mir, es wurde zu einer. Andererseits habe
ich eine Menge in der Zeit gelernt. Nun, die Lehrjahre oder Lernjahre
sind vorüber, und das ist auch gut so. Vielleicht bleibe ich
in Frankfurt, vielleicht gehe ich aber auch nach Lüneburg

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