Das Todeskreuz
sie eine ausgesprochen gute Figur
mit sehr schönen Beinen. Auf der Nase ein paar Sommersprossen,
die Hände schmal und feingliedrig. Je länger Durant sie ansah,
desto hübscher wurde diese Frau. Und sie stellte sich zum ersten
Mal die Frage, wie es wohl wäre, wenn sie mit einer Frau wie
Alina Cornelius Zärtlichkeiten austauschen würde. Sie hatte diesen
Gedanken nie gedacht, aber sie war fasziniert von dieser Frau,
von der sie sich magisch angezogen fühlte, doch sie würde es unterlassen,
dies auch nur ansatzweise zu zeigen. »Sie hat mir dieses
Angebot mehrfach unterbreitet, aber ich habe dankend abgelehnt.
Das wäre mir dann doch zu viel des Guten gewesen. Ich hätte Corinna
niemals vierundzwanzig Stunden am Tag ertragen können,
dazu hätte ich nicht die Nerven gehabt. Aber Sie kannten sie ja
nicht, sonst wüssten Sie, wovon ich spreche. Dazu kam, dass sie
sehr viel getrunken hat. Die Flasche Cognac stand schon morgens
auf dem Tisch, und ich habe mich immer wieder gefragt, wie ihr
Körper das aushält. Dabei sah sie bis zuletzt überhaupt nicht wie
eine Alkoholikerin aus, ganz im Gegenteil. Sie hatte einen beinahe
makellosen Körper, und ihr Gesicht und ihr Hals waren absolut
faltenfrei.« Sie hielt inne, setzte sich wieder und fuhr fort: »Und
nun ist sie tot. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass es jemand
schafft, in das Haus einzubrechen.«
»Es wurde nicht eingebrochen, sie hatte jemanden erwartet,
das heißt, der Mörder hatte ihr Einverständnis.«
»Entschuldigung, ich hatte schon wieder das mit den zwei
Gläsern und dem Champagner vergessen. Ich bin etwas durcheinander.
«
»Kann ich verstehen. Hat sie mit Ihnen jemals über den Überfall
vor zehn Jahren gesprochen?«
»Nur, dass es in einer Tiefgarage passiert ist und sie bewusstlos
war.«
»Aber über irgendwelche Fälle aus ihrer Zeit als Staatsanwältin
wissen Sie nichts, oder?«
»Nein, tut mir leid.«
»Gut, das war's fürs Erste. Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit.
Sollten Sie noch etwas haben, was für unsere Ermittlungen von
Belang sein könnte, rufen Sie mich bitte an. Ich gehe davon aus,
dass Sie die engste Vertraute von Frau Sittler waren und sie besser
kannten als irgendwer sonst. Hier ist meine Karte, auf dem
Handy bin ich auf jeden Fall immer zu erreichen.«
»Ich muss das alles erst mal sacken lassen. Aber sollte mir
noch etwas einfallen, melde ich mich bei Ihnen. Versprochen.«
»Danke. Was werden Sie jetzt tun? Bleiben Sie in Frankfurt?
«
»Keine Ahnung. Ich werde mich nach einer neuen Beschäftigung
umsehen, ich habe schließlich Psychologie studiert.«
Durant, die bereits aufgestanden war, sah Alina Cornelius verwundert
an und setzte sich wieder. Sie hätte alles für möglich
gehalten, nur nicht eine solche Aussage, die die Stellung von Alina
Cornelius plötzlich in einem ganz andern Licht erscheinen
ließ. »Was haben Sie gesagt? Sie sind Psychologin? Das würde ja
heißen, Sie wissen viel mehr über Frau Sittler, als Sie mir erzählt
haben.«
Alina Cornelius lachte auf, wobei ihre Stimme warm und
schmeichelnd klang. »Da liegen Sie völlig daneben. Ich meine,
es tut mir leid, dass ich nicht gleich mein ganzes Leben vor Ihnen
ausgebreitet habe, doch ich war nie Corinnas Therapeutin, das
hätte sie nie zugelassen. Aber natürlich habe ich einiges über ihre
Persönlichkeit und ihren Charakter herausgefunden. Kein Wunder
nach zehn Jahren bei und vor allem mit ihr.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Also gut. Corinna war eine Egomanin, voll und ganz auf sich
fixiert. Die Umwelt interessierte sie nicht. Ihre Angstzustände hat
sie zum großen Teil vorgeschoben, um so mehr Aufmerksamkeit
zu erlangen. Das kommt gar nicht so selten vor, obgleich ihre
Angst berechtigt war, doch mit einer entsprechenden Therapie,
einer sogenannten Konfrontationstherapie, in der die Patienten
mit der Ursache ihrer Angst konfrontiert werden, hätte sie durchaus
geheilt werden können. Allerdings lehnte sie jede Form der
Therapie ab. Sie hatte sich so eingerichtet, dass jeder, der mit ihr
zu tun hatte, wusste, dass an sie kein Rankommen war. Sie hat
andere benutzt, sie hat sie beschimpft, um im nächsten Augenblick
in das typische Verhaltensmuster des theatralischen Sich-
Entschuldigens zu verfallen, ohne dabei die andern vergessen zu
lassen, wie krank sie doch ist. Sie hat gespielt und ihr Spiel absolut
perfekt beherrscht.«
»Wenn ich Sie unterbrechen darf, aber Sie haben gesagt,
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