Das Todeskreuz
etwa drei Jahren bekam
auch ich einen. Corinna, ich meine Frau Sittler, hatte wohl Vertrauen
zu mir.«
»Das heißt, Sie hätten jederzeit in das Haus gekonnt?«
»Ja, aber nur angemeldet. Wäre ich einfach so gekommen,
hätte sie mich zur Schnecke gemacht. Und glauben Sie mir, sie
konnte sehr wütend werden. Sie hat oft mit Ausdrücken um sich
geworfen, die ich besser nicht wiedergebe. Sie war eben extrem
launisch, geradezu exzentrisch.«
»Wo haben Sie den Schlüssel?«
»In meiner Handtasche in einem Geheimfach. Die Tasche hat
mir Frau Sittler geschenkt, sie ist eine Spezialanfertigung. Sie
wollte nämlich nicht, dass jemand den Schlüssel findet, falls mir
die Tasche abhanden kommt. Hier«, sagte sie und holte den
Schlüssel heraus, »das ist er.«
Durant nahm ihn in die Hand und betrachtete ihn von allen
Seiten. Ein Spezialschlüssel für ein Spezialschloss. »Und von
dem wusste niemand außer Ihnen und Frau Sittler?«
»Nein, niemand. Außer, sie hat es jemandem erzählt.«
»Frau Sittler war Partner einer großen Anwaltskanzlei. Ist Ihnen
bekannt, in welchem Bereich sich ihre Tätigkeit bewegte?
Ich meine, von zu Hause aus anwaltlich tätig zu sein, das stelle
ich mir ziemlich kompliziert vor.«
»Darüber hat sie nie mit mir gesprochen, und ich habe sie
auch nicht danach gefragt.«
»Wo waren Sie am Freitagabend zwischen zwanzig Uhr und
Mitternacht?«
Alina Cornelius lächelte spöttisch, als sie antwortete: »Zu
Hause. Ihrer Frage nach zu urteilen, gehe ich davon aus, dass ich
damit zum Kreis der Verdächtigen zähle, richtig?«
»Ich muss diese Frage stellen, vor allem, da Sie einen Schlüssel
zum Haus haben. Gibt es Zeugen?«
»Wofür? Dass ich zu Hause war und ferngesehen habe? Nein,
gibt es nicht.«
»Was lief denn im Femsehen?«
»Wer wird Millionär? Danach habe ich gebadet und um zehn
die Talkshow im Dritten geguckt, Herman und Tietjen. Mir fallen
jetzt spontan nur Senta Berger und dieser Drogeriekönig Rossmann
als Gäste ein. Zwischendurch hab ich auch noch etwas in der
Wohnung gemacht. Gegen Mitternacht bin ich zu Bett gegangen.
Ist schon merkwürdig, wie schnell man zum Kreis der Verdächtigen
gehört«, entgegnete sie ironisch und wieder mit diesem spöttischen
Blick und einem ebensolchen Zug um den Mund.
»Ja, so was kann schnell gehen. Wann haben Sie Frau Sittler
zuletzt gesehen?«
»Am Freitag. Ich bin gegen zehn bei ihr angekommen und um
fünf, vielleicht auch ein paar Minuten später gegangen. Ich bin
direkt zu mir gefahren, das heißt, ich habe unterwegs noch etwas
fürs Wochenende eingekauft.«
»Beschreiben Sie mir kurz das Verhältnis zwischen Leslie und
ihrer Mutter.«
»Da gibt es nicht viel zu beschreiben, die beiden haben sich
geliebt und gehasst. Frau Sittler war keine Mutter, sie hat Leslie
bezahlt, damit sie regelmäßig anruft und vorbeikommt. Das war
aber auch schon alles. Ich habe nicht ein einziges Mal miterlebt,
wenn die beiden sich umarmt haben, was wohl auch nie geschehen
ist.«
»Haben Sie Leslie oft im Haus angetroffen?«
»Kommt drauf an, was Sie unter oft verstehen. Manchmal alle
zwei oder drei Tage, manchmal nur wöchentlich, manchmal auch
nur einmal im Monat. Kann auch sein, dass sie oft kam, wenn ich
nicht da war.«
»Was halten Sie von ihr?«
»Sie ist eine starke Persönlichkeit, sehr stark sogar. Aber was
blieb ihr auch anderes übrig. Es gab nur zwei Möglichkeiten, entweder
abzurutschen oder es nach oben zu schaffen. Sie hat es
geschafft. Ich mag sie, weil sie durch und durch ehrlich ist.«
»Wie können Sie das beurteilen, wenn Sie sie nur so selten
gesehen haben?«
»Sie war ein paarmal hier, weil ich sie eingeladen habe. Wir
konnten wunderbar über ihre Mutter lästern.«
»Seltsam«, murmelte Julia Durant.
»Was meinen Sie damit?«
»Ich frage mich, warum Leslie mir von Ihrer Freundschaft
gestern nichts erzählt hat.«
»Ich bitte Sie, sie wird es in der Aufregung ganz einfach vergessen
haben. Außerdem, so dicke Freundinnen sind wir nun
auch wieder nicht, sie war nicht sehr oft hier.«
»Hm. Und wie sah dieses Lästern aus?«
»Wir haben ihre Mutter nicht verspottet, wenn Sie das meinen,
wir wussten ja, dass sie krank war, aber irgendwie mussten
wir unsern Frust loswerden, und außerdem gab es doch einige
recht skurrile Situationen, die wir erlebt haben.«
»Welchen Frust?«
»Es war ein Knochenjob. Vor drei Jahren wollte ich schon
kündigen, weil ich ihre Launen nicht mehr
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