Das Tor des Suedens
hin und her. Einer fand den Weg in die Kuppel und riss ein tiefes Loch in den Boden.
Der Eisgott winselte nun kläglich. »Nicht… bitte nicht«, heulte Ukko gequält auf. »Lasst mich leben. Ich bin uralt, so alt wie die Welt. Ihr dürft mich nicht töten. Ihr…« Unmenschliches Gebrüll drang aus allen Wänden, den Böden und den Decken des Eispalasts.
Doch der Schneemensch ließ sich davon nicht beeindrucken. Sein lang aufgestauter Hass entlud sich. Erbarmungslos schlug er auf das bebende Hirn ein.
Immer mehr Blitze rasten nun in die Kuppel hinein.
Einer traf das Hirn, und Eisbrocken flogen bis zur Decke hoch.
Jetzt griffen auch die drei anderen Schneemenschen ein. Sie packten mannsgroße Eisblöcke, zerrten sie in die Kuppel und schleuderten sie auf das halb zerstörte Hirn.
»Wir müssen einen Fluchtweg suchen, Sadagar«, sagte Nottr. »Der Eispalast kann jeden Augenblick zusammenfallen, und die Eistrümmer werden uns zerschmettern.«
»Es gibt einen Fluchtweg, der sich hinter dem Hirn befindet. Dort liegt eine Felswand, in der Treppen zur Oberfläche führen. Aber wir können erst die Kuppel betreten, wenn der Eisgott endgültig tot ist und die Kälte schwächer wird.«
Die Schneemenschen kannten keine Gnade. Sie achteten nicht auf die flehenden, klagenden Schreie, die das Hirn ertönen ließ. Plötzlich war es still. Die Stimme des Eisgottes war verstummt. Nun wurde es auch etwas wärmer.
»Rasch, laufen wir durch die Kuppel!«
Nottr sprang hinein in die Kälte, die ihm immer noch fast den Atem raubte und sein Gesicht einfrieren ließ. Doch er kümmerte sich nicht darum. Er lief am fast völlig zerstörten Eisgott vorbei, vorbei an den rasenden Schneemenschen, die nun mit ihren Pranken die Reste der Hirnwindungen zerrissen.
»Kommt mit!« schrie Nottr. »Die Kuppel kann jeden Moment einstürzen.«
Die Schneemenschen stießen unverständliche Brummlaute aus, dann streckte einer den Arm hoch und brüllte etwas. Krtozec hieb noch ein paarmal auf das Hirn ein, dann rannten sie Nottr und den Seinen nach.
Sadagar fand die Öffnung, die zur rettenden Treppe führte. Sie stürmten hinauf.
Nottr wartete auf die Schneemenschen, nahm das Schwert an sich und brachte es zum Erlöschen.
Ein Eisbrocken, so groß wie ein fünfstöckiges Haus, löste sich aus der Decke, fiel auf die Überreste des Hirns und zermalmte sie. Augenblicklich wurde es dunkel. Nur gelegentlich erhellte einer der magischen Blitze die Kuppel.
»Komm schon, Nottr!« Sadagars Stimme klang ungeduldig. Der Steinmann hatte einige Holzstücke entzündet und reichte eines Nottr.
»Der Eisgott ist nun endgültig tot. Ich kann es noch immer nicht glauben, dass wir noch leben.«
»Ohne Nadomirs Hilfe hätten wir es niemals geschafft.«
Sie stiegen die feuchten Stufen hoch. Lange noch hörten sie das Krachen des zusammenstürzenden Eispalasts.
*
Drei Tage blieben sie bei den Schneemenschen, die in großen Höhlen in einem einsamen Tal hausten. Seit undenklichen Zeiten hatten sie dem Eisgott dienen müssen, und alle waren überglücklich, dass seine Herrschaft vorbei war.
Sadagar war mit Fragen bestürmt worden, doch er schwieg nur und lächelte geheimnisvoll. Niemand brauchte zu wissen, welche enge Bindung zwischen ihm und Nadomir bestand.
Diese drei Tage der Ruhe und Entspannung taten allen gut. Das starke Gefühl zwischen Nottr und Olinga vertiefte sich immer mehr. Sogar Sadagars Misstrauen gegenüber Olinga schwand, und er schloss die immer fröhliche junge Frau ins Herz.
Die Schneemenschen waren einfache Geschöpfe, friedlich und freundlich, die den Sommer über in den weitverzweigten Höhlen ihres Tales hausten, und sich nur im Winter hervortrauten. Sie ernährten sich fast ausschließlich von kinderkopfgroßen Pilzen, die das ganze Jahr über in der Kälte der Höhlen gediehen, die aber für Menschen ungenießbar waren und Vergiftungen und eitrige Ausschläge hervorriefen.
Aravo, Dardo und Barko kehrten zurück in ihr Dorf. Dort würde man sie vermutlich als tapfere Helden feiern und noch jahrhundertelang als die kühnsten Jäger besingen, die den Eisgott getötet hatten.
Drei Schneemenschen begleiteten Nottr, Olinga und Sadagar. Die Riesen trugen die Rucksäcke und versuchten ihnen die Reise so angenehm wie möglich zu machen. Sie schleppten die Menschen über Gletscherspalten und über endlos scheinende Schneefelder. Das Wetter war schön, meist war der Himmel wolkenlos, und sie kamen rasch vorwärts.
Doch als sie den Maru,
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