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Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Titel: Das Tor zur Hölle - Hellraiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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verschwunden sein, doch nicht aus ihrem Sinn. Irgendwie war er zwischen der Sphäre, in der sie lebte, und irgendeinem anderen Ort gefangen: Einem Ort der Glocken und der angstgeplagten Finsternis. War er gestorben, war es das? Im vergangenen Sommer dahingeschieden in jenem leeren Zimmer, und sein Geist war zurückgeblieben und wartete nun auf einen Exorzismus? Wenn es so war, was war dann mit seinem irdischen Leib geschehen? Nur eine weitere Unterhaltung mit Frank selbst – oder seinen Überresten – würde eine Erklärung bringen können.
    Sie hatte wenig Zweifel daran, mit Hilfe welcher Mittel sie der verlorenen Seele Kraft spenden konnte. Er hatte ihr die Lösung klar und deutlich genannt.
    Blut, hatte er gesagt. Die einzelne Silbe war nicht als Anschuldigung, sondern als ein Befehl ausgesprochen worden.
    Rory hatte Blut auf dem Boden des feuchten Zimmers verloren; die Lache war anschließend verschwunden. Irgendwie hatte sich Franks Geist – wenn er es denn war – am vergossenen Blut seines Bruders gelabt und hatte dadurch ausreichend Nahrung aufgenommen, um aus seinem Gefängnis herauszugreifen und flüchtigen Kontakt aufzunehmen. Was könnte wohl erreicht werden, wenn die Menge größer wäre?
    Sie dachte an Franks Umarmung zurück – an seine Roheit, seine Härte, an das drängende Verlangen, mit dem er sie genommen hatte. Was würde sie nicht alles darum geben, solch rohes Verlangen noch einmal zu erleben! Vielleicht war es möglich … Und wenn es das war – wenn sie ihm die Nahrung gab, die er brauchte –, würde er dann nicht dankbar sein? Würde er ihr nicht aufs Wort folgen, unterwürfig oder brutal, ganz wie es ihr beliebte? Der Gedanke raubte ihr den Schlaf, raubte ihr den Verstand, und mit ihm auch die Trauer. Sie hatte ihn die ganze Zeit über geliebt, erkannte sie nun, und um ihn getrauert. Wenn Blut dazu nötig war, ihn ihr wiederzugeben, dann würde sie Blut beschaffen und sich nicht im geringsten um die Konsequenzen scheren.
    In den Tagen, die folgten, fand sie ihr Lächeln wieder. Rory sah die Veränderung ihrer Stimmung als ein Zeichen dafür an, daß sie im neuen Haus glücklich war. Ihre gute Laune steckte auch ihn an, und er machte sich mit neuerwachtem Elan an die Renovierung.
    Bald, so sagte er, würde er sich des ersten Stocks annehmen. Sie würden die Ursache für die Feuchtigkeit im großen Zimmer ausfindig machen und es zu einem Schlafzimmer herrichten, wie es seiner Prinzessin gebührte. Sie küßte ihn auf die Wange, als er ihr davon erzählte, und sagte, daß kein Grund zur Eile bestände: Das Zimmer, das sie zur Zeit benutzten, reiche durchaus. Das Gerede über das Schlafzimmer brachte ihn dazu, ihren Nacken zu streicheln, sie an sich zu ziehen und ihr kindische Obszönitäten ins Ohr zu flüstern. Sie wies ihn nicht ab, sondern ging nach oben voraus und ließ sich dort von ihm ausziehen, wie er es gern tat, ließ sich von seinen farbverschmierten Fingern die Knöpfe öffnen. Dabei tat sie, als würde die Zeremonie sie erregen, auch wenn dies in keiner Weise zutraf.
    Das einzige, was ein wenig Lust in ihr entzündete, als sie mit ihm zwischen den Beinen auf dem quietschenden Bett lag, war, ihre Augen zu schließen und an Frank zu denken – daran, wie es früher mit ihm gewesen war.
    Mehr als einmal schob sich sein Name auf ihre Lippen; jedesmal schluckte sie ihn wieder hinunter. Schließlich öffnete sie die Augen, um sich an die enttäuschende Realität zu erinnern. Rory bedeckte ihr Gesicht mit seinen Küssen, was einen Schauder über ihren Körper laufen ließ.
    Sie erkannte, daß sie nicht allzu oft in der Lage sein würde, dies über sich ergehen zu lassen. Es war eine zu große Anstrengung, die ergebene Ehefrau zu spielen – dabei würde ihr bald das Herz zerspringen.
    Und so begann sie, während sie unter ihm lag und der sanfte Septemberhauch vom offenen Fenster über ihr Gesicht strich, zu planen, wie sie an Blut kommen könnte.

FÜNF
    Manchmal schien es ihm, Äonen würden kommen und gehen, während er in der Wand gefangen war; Äonen, von denen sich später herausstellen könnte, daß es sich bei ihnen um verstrichene Stunden oder vielleicht auch nur Minuten gehandelt hatte.
    Doch nun hatte sich alles verändert; er hatte eine Chance zur Flucht. Der Gedanke trieb seine Stimmung zu ungeahnten Höhenflügen. Es war eine ungewisse Chance, darüber machte er sich keine falschen Hoffnungen. Zu viele Gründe gab es, aus denen heraus seine gesamten Bemühungen

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