Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
Vom Netzwerk:
blicken, daß er sieht, wie sich erst die eine Hälfte am Kranz löst und dann die andre. Beim nächsten Mal ist es vielleicht das Brett da oben, auf dem du ’rüberbalancierst zur Bunkerluke.
    Mein Junge, ich glaube, du steigst am besten aus in Tripolis. Wenn du auch tot bist, man macht doch gern noch manchmal einen Spaziergang aus den Gräbern und sieht, was draußen los ist, weil man sich so rasch an die stickige Luft im Grabe nicht gewöhnen kann. Mußt ja wieder ’rein ins Grab oder in ein Totenschiff, aber hast doch eine Nase voll frischer Luft mitgenommen, und beim zweiten Male geht es schon besser. Aber Tripolis war nichts mit Aussteigen. Wir konnten keinen Schritt tun ohne Bewachung. Beim geringsten Versuch, achtern abzubleiben, hätten sie uns gepackt und zurückgebracht. Hätten dem Skipper eine Kostenrechnung gemacht, und er hätte sie von der Heuer abgezogen. Es war auch nichts in Syrien. Man konnte nicht abkanten. Wir waren freie Männer, freie Seeleute. Durften in die Häfen gehen, durften in den Kneipen ’rumsaufen, durften tanzen und unser Geld verspielen oder es uns aus den Taschen räubern lassen. Alles durften wir tun, weil wir ja freie Seeleute und keine Sträflinge waren. Aber sobald »Yorikke« das Blaue Peterlein flattern ließ und man drückte sich auffällig weit vom Kai oder von den Molen herum oder gar in verschnörkelten Gäßchen und dunklen Winkeln, da hatte einen auch schon einer am Arm: »Monsieur, s’il vous plait, Ihr Schiff wartet, wir werden Sie begleiten, damit Sie nicht den Weg verfehlen.«
    Und war man dann erst wieder drauf auf der »Yorikke«, hatten sie das Recht, draußen am Kai zu stehen und einem das abermalige Verlassen des Bootes zu verbieten, denn Blau Peterlein flatterte, und das hieß, nun hat die Freiheit wieder mal ein Ende.
    Stanislaw hatte schon recht gehabt: »Kommst nicht mehr ’runter. Und wenn du kommst, die kriegen dich und stecken dich auf einen andern Toteneimer, der vielleicht noch schlimmer ist. Denn die Toten nehmen dich immer wieder auf, auch aus den Händen der Polizei. Mit Dank. Drücken dem Engelmacher noch zehn Schillinge in die Hand dafür. Füttern dich sogar, bis sie dich auf ein andres Totenschiff, das hereinkommt, verkaufen können. Müssen dich doch loswerden. Können dich doch nicht nach der Heimat deportieren, hast ja keine.«
    »Da brauche ich doch aber nicht ’raufzugehen.«
    »Mußt ’rauf. Der Skipper sagt, er hat dich gezeichnet, auf Handschlag. Dir glaubt man nichts, dem Skipper glaubt man. Er ist ja ein Skipper und hat eine Heimat, wenn es auch nur selbst eine geschwindelte ist und er selber nicht mehr heim darf. Aber er ist der Skipper. Mußt ’rauf. Er hat dich gemustert. Hat dich nie gesehen. Aber auf Handschlag gemustert. Mußt ’rauf. Bist Deserteur.«
    »Aber, Stanislaw, nun rede mal klar. Da gibt es doch noch Recht«, sagte ich, weil ich glaubte, er übertreibt.
    »Das ist doch schon mein viertes. Es ist dein erstes. Und ich bin durch mit allen Zipfeln.«
    »Man kann dich doch nicht zwingen. Ich bin doch freiwillig auf die ›Yorikke‹ gekommen«, wandte ich ein.
    »Ja, das erstemal kommt man halb freiwillig. Aber hättest du deine Sachen alle klar gehabt, wärst du nicht freiwillig gekommen. Wenn du deine Sachen in Ordnung hast, kann dir niemand mit solchem Zimt kommen, wie Handschlag, Deserteur und so.
    Da sagst du, du willst zum Konsul. Da müssen sie dich gehen lassen und können mitkommen. Wenn der Konsul sagt, daß er dich annimmt, daß er dich anerkennt, müssen sie abziehen. Da ist nichts von Handschlag, da heißt es zu dem Skipper: ,Wer sind Sie? Wann wurde das Schiff zum letztenmal inspiziert? Wie sind die Gebührnisse für die Mannschaft, Essen, Löhnung, Quartiere?’ Da zuppelt er ab, der Skipper und sagt nichts mehr von Handschlag. Kannst du zum Konsul gehen? Hast du Papiere? Hast du ein Vaterland? Na also. Können sie mit dir machen, was sie wollen. Glaubst du nicht? Steig aus, versuche es.«
    »Hast du denn dein dänisches Heuerbuch nicht mehr?« fragte ich Stanislaw.
    »Eine Frage! So eine dumme Frage! Wenn ich das noch hätte, wäre ich doch nicht hier. Ich hab’s doch gleich für zehn Dollar verkauft, als ich den schönen Paß in Hamburg kriegte. Auf einen Dänen darf er nicht damit gehen, auch nicht zu einem dänischen Konsul. Der nimmt es ihm gleich ab, weil es angemeldet ist; es ist doch ein Schwimmer. Lebt doch nicht mehr. Aber für kleine Verhältnisse ist es hundert Dollar wert. Wenn ich es

Weitere Kostenlose Bücher