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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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sich. Sieht verlegen aus, und ich spüre plötzlich einen eiskalten Stein im Bauch. Ich weiß, was er sagen wird. Ich weiß, dass niemand so viel Blut verlieren und überleben kann.
    »Hillevi wurde ins Söder-Krankenhaus gebracht, wo man ihren Tod festgestellt hat. Vermutlich ist sie schon auf der Fahrt gestorben. Aber wir dürfen nicht vorher …«
    Er verstummt, als würde er begreifen, dass wir keine Kraft haben, uns unwichtige Details darüber anzuhören, wer wo jemanden für tot erklärt. Aina und ich sehen einander an, und langsam sinken diese Worte in uns ein.
    Hillevi ist tot.

Ich sitze zusammengekrümmt auf dem Sofa, in eine Decke gehüllt. Trotzdem friere ich. Und das Zittern scheint sich einfach nicht legen zu wollen. Auf dem Tisch vor mir steht ein Becher Tee, den Markus zubereitet hat. Vielleicht hofft er, das heiße Getränk könnte mich beruhigen.
    Vor dem Fenster fegt der Wind durch die Tannenwipfel. Es weht heftig, und Regen prasselt in unregelmäßigen Abständen gegen die Fensterscheiben.
    Ich sehne mich nach einem Glas Wein. Ich weiß, dass im Fach über dem Kühlschrank ein Karton steht, immer steht ein Karton im Fach über dem Kühlschrank, aber ich denke an das Kind und weiß, dass ich verzichten muss. Ich kann es mir nicht mehr erlauben, zu trinken, obwohl die Angst mich lähmt, an mir zerrt und reißt. Die Sehnsucht nach Alkohol ist so viel größer, als ich einsehen wollte, als ich mir einzusehen gestattet habe. Aber ich weiß auch, was Alkohol einem Embryo antun kann, und diese Schuld kann ich nicht auf mich laden. Ich denke an das ungeborene Kind in mir und an das Kind, das ich damals verloren habe, und ich weiß, dass ich kein Risiko eingehen kann. Der Wein muss warten. Trotz des Brennens im Magen, des leichten Unwohlseins und meines Pulses, der zu hart und zu schnell schlägt. Markus wollte, dass ich das mir vom Krankenhausarzt angebotene Stesolid annähme, aber auch beruhigende Mittel sind jetzt tabu. Kein Alkohol, keine Medikamente.
    Nur schwarze Angst.
    Markus läuft getrieben von nervöser und rastloser Energie durch das Wohnzimmer, und ich weiß, er möchte einerseits bei mir zu Hause bleiben und andererseits weg hier, sich in die Arbeit stürzen. Auch wenn der Mord an Hillevi oder die fahrlässige Tötung nicht auf seinem Schreibtisch landen wird, liegt doch die Verantwortung für die Ermittlungen über den Tod an Henriks Freundin bei der Polizei von Nacka, bei Henriks Kollegen. Und die Möglichkeit, dass es zwischen beiden Verbrechen einen Zusammenhang gibt, wird natürlich untersucht werden.
    »Warum habt ihr ihn nicht festgenommen?« Meine Stimme klingt fremd, die Wörter sind schwer auszusprechen. Liegen wie große klobige Steine in meinem ausgedörrten Mund.
    »Du meinst Henrik?« Markus ist stehengeblieben, seine rastlose Wanderung ist für einen Moment unterbrochen.
    »Natürlich meine ich Henrik. Warum habt ihr ihn nicht festgenommen? Er hatte doch schon seine Freundin umgebracht, wenn ihr ihn festgenommen hättet, wäre Hillevi … und jetzt ist er verschwunden. Was, wenn ihr ihn nie erwischt?«
    Ich verstumme. Vor meinem inneren Auge spielt diese Szene sich immer wieder ab. Hillevi, die vor Henrik steht, die versucht, ihn zu erreichen, der Schuss, der abgefeuert wird, Hillevi, die über den Tisch fällt. Und das Blut. Das Blut, das über die Matte strömt und sich mit Porzellanscherben und Zimtbrötchen mischt. Die Szene ist unwirklich, aber zugleich gestochen scharf. Ich kann mich einfach nicht dagegen wehren.
    »Siri, es ist nicht immer so, wie es aussieht.« Markus sucht meinen Blick und streckt die Hand aus. Berührt vorsichtig meine Schulter. »Wir haben ihn zur Vernehmung geholt. Ich habe mich bei den Kollegen erkundigt. Er hatte ein Alibi, kann die Frau nicht umgebracht haben. Ein ziemlich gutes Alibi sogar, er war in der Kneipe, zusammen mit seinen Kollegen von der Baufirma. Zehn Personen, die beschwören können, dass er Getränke ausgegeben und Karaoke gesungen hat. Und das Personal aus der Kneipe kann es auch bestätigen. Sie erinnern sich an ihn, er war betrunken und zudringlich, hat die Tresenfrauen belästigt.«
    »Wie könnt ihr euch so sicher sein?« Ich höre, dass ich feindselig klinge, fast aggressiv. »Er ist bekannt für Gewalt gegen Frauen. Kattis hat geschildert …« Ich verstumme, weiß, dass ich fast gegen meine Schweigepflicht verstoßen hätte, Namen und Tatsachen verraten hätte, die ich für mich behalten muss.
    »Kattis, ist das seine Ex?

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