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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe
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gestrandet. Verrückt geworden, wenn du so willst. Hat Kattis als Sündenbock für alles Elend betrachtet, das über ihn hereingebrochen ist.«
    »Aber er kann doch wohl nicht meinen, dass sie etwas mit dem Mord an Susanne zu tun hat?«
    »Ich weiß nicht, was er glaubt, er hatte vielleicht das Gefühl, dass sie mit ihren Klagen sein Leben sabotierte. Und dann ist das mit Susanne passiert. Ich glaube, das war zu viel, ganz einfach. Dass er ausgerastet ist. Du kennst dich mit solchen Dingen doch aus, wäre das nicht möglich?«
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Ja, kann schon sein, er ist vielleicht psychotisch geworden. So was kann passieren. Absolut.«
    Markus sieht plötzlich zynisch und müde aus.
    »Siri, es wird eine Menge Scheiß geredet, die Leute bilden sich ganz schön viel ein. Vorige Woche hatten wir einen erweiterten Selbstmord. Eine alleinstehende Mutter hat sich selbst und ihre fünf Jahre alte Tochter umgebracht, sie war davon überzeugt, dass sie von einem südamerikanischen Drogenkartell verfolgt würde. Sie sah einfach keinen anderen Ausweg. Ihr Exmann hat sie und die Tochter tot im Schlafzimmer gefunden, als er die Kleine für das Wochenende zu sich holen wollte. Die Frau hat zuerst ihrer Tochter die Tabletten gegeben und dann selbst welche geschluckt. Ihr Arzt berichtete, dass sie an paranoider Schizophrenie litt, die durch Medikamente in Schach gehalten werden konnte. Das Problem war nur, dass sie aufgehört hatte, diese Medikamente zu nehmen …«
    Markus schüttelt den Kopf.
    »Was ich sagen will, ist nur, dass kranke Menschen sich in wirklich alles verbeißen können. Und diese Frau aus deiner Gruppe, Kattis, die sagt doch, dass er sie verfolgt hat, oder? Vielleicht ist er auf sie fixiert, betrachtet sie als Wurzel allen Übels. Was weiß ich?«
    Er schaut mich an. Ein Windstoß scheint das Haus zu packen. Die Wände wirken plötzlich dünn, zerbrechlich, und für einen Moment glaube ich, das ganze Haus werde vom starken Wind mitgerissen werden. Markus sagt:
    »Vielleicht sind sie auf eine ungesunde Weise aufeinander fixiert. Aber jedenfalls liegt bei uns nichts gegen ihn vor. Nichts Konkretes. Wir haben überhaupt sehr wenig Konkretes. Wir wissen nur, dass es ein Mann war. Es gibt keine Zeugen, nur dieses kleine Mädchen, aber Herrgott, eine Fünfjährige …« Er legt eine kurze Pause ein. »Und wir haben auch keine technischen Beweise. Das hier ist ein polizeilicher Albtraum. Ein Mord mit unbekanntem Täter.«
    Wir schweigen eine Weile. Markus räuspert sich.
    »Du, Siri …«
    Er windet sich. Ich kenne Markus inzwischen gut genug, um zu wissen, was jetzt kommt. Ich erwidere seinen Blick. Dieses ruhige blauäugige ehrliche Aussehen, den Archetyp des Geborgenheit schenkenden, gütigen Polizisten. Aber ich sehe auch die Andeutung von Säcken unter den Augen, die Bartstoppeln und die Kleidung, die nur ein wenig mitgenommener ist als sonst. Markus quält sich mit dem herum, was zwischen uns vor sich geht. Dem Spiel, das sein eigenes Leben zu leben scheint, bei dem nicht einmal ich selbst Anleitung und Regeln kenne.
    »Wir müssen reden. Über uns.«
    »Das müssen wir wohl.«
    Meine Antwort kommt schnell, denn ich weiß, dass Markus recht hat. Wir müssen reden. Das, was Hillevi passiert ist, und die quälend langsamen Minuten mit Henrik in der Praxis. Der Gedanke an alles, was ein Ende nehmen könnte, jetzt. Angst und Schrecken. Alles bekommt plötzlich eine andere Perspektive. Ich weiß noch immer nicht, was ich will, ob ich mit Markus zusammenleben will. Aber zugleich ist die Vorstellung, ihn zu verlieren, fast unerträglich. Und das Kind, das Kind, das sich dafür entschieden hat, in mir zu bleiben. Ungeplant, überraschend, überwältigend.
    »Siri … ich dachte, du wärst es. Du wärst verletzt. Und die ganze Zeit habe ich gedacht, ich müsste es dir sagen dürfen. Dass ich es auf jeden Fall versuchen will. Dass es auch mein Kind ist. Dass ich wirklich glaube, dass ich dich liebe und … dass ich bei dir sein will. Bitte, Siri, lass mich nicht außen vor.«
    »Ich kann dir nichts versprechen.« Ich sehe Markus an, erwidere seinen Blick. »Ich kann nichts versprechen, aber wir können es versuchen.«

Polizei von Värmdö, Oktober

Das Vernehmungszimmer ist klein und quadratisch und jetzt wieder spartanisch möbliert: ein Tisch, einige Stühle und eine nackte Leuchtröhre unter der Decke. Verschwunden sind Spielzeug, Buntstifte und Papierstapel, die die Kinderexpertin mitgebracht hatte,

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