Das Trauma
Seine Ex, die auch zu deiner Gruppe von misshandelten Frauen gehört?«
Ich nicke. Weiß, dass das auf jeden Fall herauskommen würde. Dass die Polizei überprüfen wird, wer zur Gruppe gehört und was dort gesagt worden ist. Alles, um zu verstehen und zu erklären, um Henriks Haltung zu beschreiben. Verbindungen zu finden, einen Zusammenhang zu konstruieren.
»Okay, wir können wohl sagen, dass Henriks Version nicht ganz mit Kattis’ übereinstimmt. Er streitet alles ab, sagt, er habe sie nie angerührt, sie habe alles erfunden.«
»Aber so ist es doch immer. Wie viele misshandelnde Männer geben zu, dass sie schuldig sind, und nehmen Strafe oder Therapie auf sich? Was glaubst du, wie oft das vorkommt? Ich begreife nicht, wie du ihn in Schutz nehmen kannst. Ihr habt einen verdammt großen Fehler begangen, und jetzt versucht ihr den zu vertuschen, indem ihr ihn für unschuldig erklärt.« Ich spüre, wie die Tränen kommen. Salzige Tränen laufen über meine Wangen und meinen Hals. Ich fühle mich verletzt, ohnmächtig, verzweifelt.
»Siri, hörst du nicht, was ich sage? Henrik hat ein Alibi. Er kann mit größter Wahrscheinlichkeit seine Freundin nicht ermordet haben. Und die Polizei kann nicht in die Zukunft schauen, wir können Verbrechen nicht verhindern, von denen wir nicht wissen, dass sie geschehen werden. Und außerdem …« Markus zögert. Auch er steht unter Schweigepflicht, und ich weiß, dass er mir nicht alles sagen darf, was er weiß. Dass er vielleicht schon zu viel gesagt hat. »Also … die Kollegin, die Henrik von dem Tod seiner Freundin unterrichtet hat, sagt, er sei wie erschlagen gewesen. Einfach zusammengebrochen. Und sie hat gesagt, wenn er Theater gespielt hat, dann sei das die beste Vorstellung gewesen, die sie jemals gesehen habe. Sie mussten einen Krankenpfleger holen, der ihm ein Beruhigungsmittel gegeben hat.«
»Er kann es trotzdem getan haben. Er kann jemanden angeheuert haben. Er ist doch total verrückt, was ist das für ein Mensch, der mit einer Waffe durch die Gegend läuft? Und der sich in der Dunkelheit auf dem Medborgarplatz an mich heranschleicht. Und er hatte es auf Kattis abgesehen, nicht auf Hillevi.«
»Siri, wenn wir eine ermordete Frau finden, schauen wir uns zuallererst ihre Lebenssituation an. Wir wissen, dass der wahrscheinlichste Täter ein Ehemann, Lebensgefährte oder Freund ist. Es ist schrecklich, aber es ist so. Wir haben Henrik überprüft, haben uns seine Beziehung zu Susanne Olsson angesehen. Alles, was wir herausgefunden haben, weist daraufhin, dass Henrik ein ganz normaler Mann ist. Abgesehen von der Anzeige der Verflossenen liegt nichts gegen ihn vor. Nur zwei Verkehrsbußen. Er ist nicht vorbestraft, kümmert sich um seine Firma, ist ein beliebter Chef. Niemand, mit dem wir gesprochen haben, hat irgendwelche Tendenzen zur Gewalt an ihm erlebt. Alle scheinen ihn zu mögen, abgesehen von einem Nachbarn, der findet, er fährt einen zu großen BMW und der überzeugt davon ist, dass Henrik schwarzarbeitet, was er sicher auch tut. Er hat verdammt viel Geld beim Pferderennen verloren, aber ansonsten wirkt er wie ein ganz normaler Mann. Es liegt nichts gegen ihn vor, Siri, nichts Konkretes. Abgesehen von Kattis’ Behauptungen. Wir konnten es nicht wissen.« Markus macht eine bedauernde Handbewegung und geht dann neben mir in die Hocke und nimmt meine Hand. Streichelt meine Haare.
»Und die Waffe? Warum hatte er eine Waffe? Welche ganz normale unschuldige Person hat eine Waffe in der Schreibtischschublade liegen? Hör doch auf, Markus, er ist gestört, und du weißt das ganz genau.«
Ich habe mich auf dem Sofa aufgesetzt und schüttele die Decke ab. Plötzlich merke ich, dass ich nicht mehr friere. Kummer und Wut scheinen meinen Körper wieder funktionsfähig gemacht zu haben. Draußen wird der Sturm stärker. Der Regen peitscht gegen die Fenster, und die Windstöße rütteln an Zweigen und Bäumen. Auch die Natur scheint zu wüten, weil das alles passiert ist.
»Ich weiß es nicht sicher, aber er ist Mitglied in einem Schützenverein. Hat einen Waffenschein und alles. Hat früher offenbar bei Schützenmeisterschaften mitgemacht. Wir glauben, dass er die Waffe benutzt hat, für die er den Waffenschein hat. Wenn du wissen willst, was ich glaube, Siri, dann ist das so: Henrik hat Susanne nicht umgebracht, aber etwas ist mit ihm passiert, als er über ihren Tod informiert wurde. Frag mich nicht, was, so was weißt du besser als ich. Er ist zusammengebrochen,
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