Das Trauma
Södermalm zusammen.
Patrik ist groß, hat strohblonde strähnige Haare und grobporige Haut. Er erinnert mich auf vage Weise an die vielen Popmusiker aus den achtziger Jahren, wie angegossen sitzende schwarze Jeans, gestreiftes T-Shirt, Hornbrille. Er zeigt nikotingelbe Zähne, als er lacht, und gibt mir die Hand, danach faltet er sich zusammen wie eine Ziehharmonika und sitzt auf der Kante meines Lammfellsessels in einer unbeschreiblichen vornübergebeugten Haltung, wie ein riesiges Insekt.
Eine gigantische Heuschrecke in hautengen Jeans.
Er hat einen festen Handschlag. In gewisser Weise ähnelt er Patrik selbst: deutlich, dominant, direkt. Ein Handschlag, der sich nicht schämt, der weiß, was er will.
Mia steht hinter ihm. Abwartend streicht sie sich eine hellbraune Haarsträhne aus dem schweißnassen Gesicht und zupft an der verwaschenen Strickjacke, wie um ihre schweren Brüste zu verstecken.
»Willkommen, wie geht es Ihnen heute?«
Mia schaut rasch Patrik an, wie um die Antwort mit ihm abzustimmen, ehe sie etwas sagt.
»Ach, ganz gut«, sagt sie zögernd, noch immer den Blick auf Patrik gerichtet, aber sie hört sich unsicher an. Als sei es eine an mich gestellte Frage. Oder vielleicht an Patrik.
»Möchten Sie anfangen, Patrik? Was ist seit der vergangenen Woche passiert?«
»Tja, ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll.«
Er schlägt das eine Bein über das andere und zeigt eine abgewetzte Schuhsohle.
»Hat es viele Konflikte gegeben?«
Sie schweigen beide. Mia starrt ihre umfangreichen Oberschenkel an, und Patrik beißt die Zähne zusammen. Hart, den Blick ins Nichts gerichtet.
»Also, war das so, gab es Konflikte?«
Patrik räuspert sich und schaut mich mit leerem Blick an.
»Wissen Sie, ich finde, es ist genau wie immer. Obwohl wir es schon hundertmal diskutiert haben. Es wird einfach nicht besser. Und es ist so typisch Mia …«
»Moment mal«, unterbreche ich ihn. »Was wird nicht besser?«
»Ach, darüber haben wir doch schon gesprochen. Mia ist so unglaublich … passiv. Hängt nur zu Hause herum und glotzt den ganzen Tag Soaps. Kümmert sich nicht um die Kinder. Es sieht aus … es sieht grauenhaft aus, wenn ich nach Hause komme. Und gestern hat Gunnel wieder Hundefutter gegessen. Und seit Gott weiß wie lange keine neue Windel bekommen. Hatte einen ganz wunden Po. Und Lennart hat die Kindergärtnerin schon wieder gebissen. Zweimal.«
Ich kann sehen, wie Mia erstarrt, wie sie da auf dem Holzstuhl sitzt – wie immer hat Patrik den Sessel mit Beschlag belegt –, sie reibt sich die Hände, als fröre sie und versuchte, sich zu wärmen.
»Bitte, Patrik«, ihre Stimme ist ein heiseres Flüstern, »ich kann doch wirklich nichts dafür, dass Lennart die Kindergärtnerin beißt.«
»Aber darum geht es doch gerade. Nie willst du irgendeine Verantwortung übernehmen. Und wo ich doch jetzt meine Arbeit habe. Eine, äh … Karriere, da kann man doch wohl annehmen, dass du zu Hause ein wenig helfen könntest und nicht nur den ganzen Tag wie eine Kuh vor dem Fernseher hängst.«
Patrick hat einen kleinen Nischenverlag, der schwedische Rockbands herausbringt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er damit sehr viel Geld verdient, aber seine Arbeit ist ihm unendlich wichtig, vielleicht ist sie eine natürliche Verlängerung seiner Identität.
Mia streicht sich unsichtbare Haarsträhnen aus dem Gesicht und schaut mich verzweifelt an. Und als sie dann etwas sagt, richtet sie sich an mich und nicht an Patrik.
»Ich weiß, ich müsste mehr helfen. Eine … bessere Mutter sein. Aber ich weiß nicht … ich schaffe das irgendwie nicht. Ich weiß. Ich werde. Mich zusammenreißen.«
»Das hast du schon so oft gesagt. Ich glaube dir nicht mehr. Weißt du, ich habe dich so satt.«
»Ich weiß. Ich werde das tun«, wiederholt Mia tonlos und starrt noch immer mich an, als wollte sie etwas von mir. Von mir das Versprechen hören, dass ich diesen tödlichen Schaden zwischen ihnen reparieren werde. Denn dafür bezahlen sie mich ja schließlich.
»Moment mal«, unterbreche ich sie, »haben Sie sich an die Arbeitsverteilung gehalten, die wir vorige Woche festgelegt haben?«
Patrik schnaubt und knickt den abgewetzten schwarzen Stiefel um.
»Mia sollte einkaufen …«
»Aber das habe ich doch«, sagt Mia außer sich. »Dreimal.«
»Mia hat kein Brot gekauft. Mia hat keinen Kaffee gekauft …«
»Ich trinke doch keinen Kaffee!«
»Nein, aber ICH!«
»Ja, verzeih mir, das war dumm.«
Sie zupft
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