Das Traumtor Band II (German Edition)
besser sein als hier, aber hatte sie sich nicht hier wohl gefühlt, hatte sie nicht das Leben in Valamin an seiner Seite genossen? Sie war hier glücklich gewesen, glücklicher als je zuvor in ihrem Leben, wie sie gesagt hatte. Also musste seine Welt doch besser sein als die ihre. Wie groß war da das Opfer gewesen, das sie ihm und Valamin mit ihrer Rückkehr in ihre Welt gebracht hatte! Warum nur hatten die Götter das zugelassen? Und welche Schuld hatte denn er auf sich geladen, dass sie ihn so hart straften? Aber doch, er hatte den Zorn der Götter auf sich gezogen! Hatte er nicht sein Volk in den Krieg stürzen wollen, um Athama nicht zu verlieren? Nun hatten die Götter seiner Entscheidung korrigiert und ihm zur Strafe gerade das genommen, was er um jeden Preis hatte behalten wollen. Wie grausam gerecht waren die Götter Valamins!
Wieder versank Rowin in dumpfe Verzweiflung. Stets war er überzeugt gewesen, dass man durch eigene Tatkraft die Gunst der Götter gewinnen konnte. Aber was konnte er hier tun? Es gab für ihn keine Möglichkeit, Athama zurückzuholen. Auch Targil hatte ja gesagt, dass sie nie wieder nach Valamin zurückkehren konnte. Sein Blick fiel auf die zierlichen Bürsten und Kämme, die auf dem Bord vor dem Spiegel lagen. Wehmütig dachte er daran, wie gern er Athama zugesehen hatte, wenn sie ihr langes blondes Haar kämmte. Mit wie viel Vergnügen hatte er dann mit beiden Hä nden hineingegriffen und sie wieder zerzaust, bis sie ihn lachend und schimpfend verjagt hatte. Wie Kinder hatten sich manchmal gebalgt, und stets hatten ihre Spiele gleich geendet – in heißer, leidenschaftlicher Umarmung. Nie, nie wieder sollte er sie in seinen Armen halten, niemals mehr die berauschende Nähe ihres Körpers spüren! Wie sollte er das ertragen, ohne darüber den Verstand zu verlieren?
Über Rowin verzweifeltes Grübeln senkte sich die Nacht herein. Schlaflos lag er auf seinem Bett und lauschte in das bedrückende Schweigen hinaus, das wie ein schwerer Teppich über dem ganzen Schloss lag.
Doch Rowin war nicht der einzige, den die Trauer um Athama in dieser Nacht nicht schlafen ließ. Targil hatte dem Hof das Geschehene mitgeteilt. Da niemand außer Rowin, seiner Schwester Deina und ihm wusste, dass die Geliebte des Königs aus e iner anderen Welt gekommen war, hatte Targil gesagt, sie sei bei Nacht und Nebel wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, ein weit entferntes Land jenseits des großen Gebirges. Er hatte den Leuten nicht verschwiegen, dass die Herrin Athama dieses Opfer gebracht hatte, damit Valamin nicht das Unglück des Krieges träfe, mit dem die zukünftige Königin Ilin das Land hatte überziehen wollen. Nun trauerte der ganze Hof um den Verlust der Fürstin Athama, denn die Leute hatten sie wegen ihrer heiteren und freundlichen Art verehrt. Besonders der junge Narin, Athamas persönlicher Leibwächter litt fast genauso wie Rowin, denn auch er hatte sie geliebt – still und nur allein durch ihre Gegenwart die Erfüllung seiner Liebe findend. Und auch aus seiner Trauer keimte die Saat des Hasses gegen Ilin, die Frau, die auch ihm den Sinn seines Lebens genommen hatte. Und noch einen dritten gab es im Schloss, in dessen sonst so mildem Herzen finstere Rachepläne aufstiegen: in den Gewölben des Schlosses saß Leston, der Hofarzt und Alchemist, in seinem Laboratorium. Dicke Tränen rollten aus den Augen des Alten und tropften an seiner vom heimlichen Alkoholgenuss geröteten Nase entlang. Hin und wieder hob er den Kopf von den Armen, wischte sich mit dem Ärmel die Nase und nahm einen großen Schluck seines selbst gebrannten Kräuterlikörs. Er hatte Athama wie eine Tochter in sein Herz geschlossen gehabt, denn sie hatte viel Zeit mit ihm verbracht, hatte von ihm gelernt und hatte ihn Dinge gelehrt, die ihn immer wieder in höchstes Erstaunen über ihr unfassbares Wissen versetzt hatten. Und nun war sie fort! Wer würde nun mit ihm sein Geheimnis des Kräuterlikörs teilen, von dem niemand sonst wissen durfte, da der König Alkohol verabscheute? Wer würde sich jetzt mit ihm stundenlang in Diskussionen einlassen, wer ihm neue Erkenntnisse vermitteln? Leston rief den Fluch der Götter auf Ilin herab, die ihm das alles geraubt hatte. Doch nicht nur für sich selbst fühlte er den Schmerz dieses Verlustes. Auch er hatte ja gesehen, wie sehr Athama und Rowin sich geliebt hatten, und das Mitleid mit den beiden ließ sein altes Herz bluten. Plan um Plan entstand in seinem Herzen, wie er die
Weitere Kostenlose Bücher