Das Traumtor Band II (German Edition)
Absicht riechen würde. Was wir jetzt brauchen, mein Junge, ist Zeit!“
„Aber ich habe keine Zeit, Leston!“ stöhnte Narin. „Jetzt, wo Athama fort ist, werde ich den Hof verlassen müssen. Und dann gibt es für mich keine Gelegenheit mehr, mich an diesem Plan zu beteiligen.“
„Du musst bei König Rowin erreichen, dass er dich als Leibwache für die neue Königin einsetzt“, antwortete Leston. „Dann ist dieses Problem gelöst.“
„Ich soll dieser fremden Hexe dienen?“ fuhr Narin auf. „Nein, Leston, das kannst du nicht von mir verlangen!“
„Wenn du etwas für die Rückkehr der Herrin Athama tun willst, muss ich es von dir verlangen!“ sagte der Alte fest. „Nur jemand aus Ilins unmittelbarer Nähe kann eine Gelegenheit entdecken, wie wir zu unserem Ziel kommen.“
„Aber alle werden mich für treulos halten, wenn ich nun der Fremden diene, wo jeder weiß, was die Herrin Athama für mich getan hat!“ klagte Narin.
„Nein, Narin, so schlimm ist es nicht “, beruhigte Leston ihn. „Jeder weiß ja, dass du vorher Rowin gedient hast. Der Dienst für Ilin ist daher die einzige Möglichkeit für dich, auch weiterhin deinem König zu dienen. Lass ein paar Tage vergehen, bis Rowins Schmerz nicht mehr so frisch ist, und dann geh zu ihm. Sage ihm, dass du zum Gedenken der Herrin Athama deinen Dienst weiterhin versehen willst, weil sie gewollt hatte, dass du bei Hof bleiben darfst. Sage ihm ruhig, dass du diesen Dienst ohne viel Freude, aber gewissenhaft versehen wirst. Sage ihm, dass auch du bereit bist, ein Opfer zu bringen wie deine geliebte Herrin. Er wird es verstehen und es wird ihn freuen, dass auch du Athama so liebtest.“
„Gut, Leston, wenn man es so sieht, handle ich nicht treulos, wenn ich Ilin diene“, gab Narin zu. „Gern will ich jedes Opfer bringen, wenn Athama dadurch nur wieder zurückkehren kann.“
„Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben“, sagte Leston ernst, „denn wie sollen wir weiterleben ohne diese Hoffnung? Ich empfinde tiefes Mitleid mit Rowin, der diese Hoffnung nicht haben darf. Und wir können sie ihm nicht geben, denn wie könnten wir ihm unseren Plan anvertrauen? Er dürfte es nicht zulassen, selbst wenn er uns im Herzen Glück dazu wünschen würde. Geh nun, mein Freund, und schlaf dich aus! Für dich gibt es im Augenblick nichts zu tun. Deine Stunde kommt später. Verzweifle nicht, denn vielleicht sind uns die Götter gnädig!“
Am Morgen des dritten Tages nach Athamas Verschwinden trat Rowin aus dem Schlafgemach, das er in all der Zeit nicht verlassen hatte. Die Leibwachen an der Tür erschraken über sein Aussehen, denn sein Gesicht war grau und dunkle Bartstoppeln bedeckten seine eingefallenen Wangen. Tiefe blaue Schatten lagen unter seinen A ugen, die ohne jeden Ausdruck waren und fiebrig glänzten. Sein Schritt war schwer und schleppend und die mächtigen Schultern wie von einer großen Last gebeugt. Mit eigener Hand verschloss er die Tür des Schlafraums und hängte den Schlüssel an seinen Gürtel.
„Der Tod trifft jeden, der dieses Zimmer ohne meinen Befehl betritt!“ sagte er zu den Wachen. „Es wird so bleiben, wie es ist, solange ich lebe! Bringt alles, was der Herrin Athama gehörte, in den angrenzenden Raum, verschließt auch ihn und gebt mir di esen Schlüssel ebenso. Man soll mir Räume im Westflügel richten, denn die Zimmer, die ich mit Athama bewohnte, werden nie mehr benutzt. Nur auf mein Wort sollen sie gesäubert werden, denn sie sollen stets bereit sein, als käme sie zurück. Und nun ruft mir Targil in mein Arbeitszimmer!“
Die Wachen beeilten sich, seinen Befehlen nachzukommen, und Rowin ging die Treppe hinab zu seinem Beratungszimmer. Seine Schritte hatten ihre Elastizität verl oren und seine Bewegungen waren mechanisch und schwerfällig. Es war, als sei der sprühende Lebensfunke in ihm erloschen. Als Targil eintrat, saß Rowin hinter seinem schweren Schreibtisch und ordnete mit müder Hand einige Pergamente, die Targil während der Reise von Rowin und Athama dort gesammelt hatte. Auch Targil erschrak über das Aussehen des Freundes und wieder fragte er sich, ob er recht gehandelt hatte, als er Athama von Rowins Problemen berichtet hatte. Doch er wusste auch, dass der Freund genauso gelitten hätte, wenn er sein Volk seinem Entschluss entsprechend in den Krieg gestürzt hätte. Rowin sah auf, als Targil auf ihn zutrat, und der Ausdruck in seinen Augen tat Targil weh. Wenn er ihm doch nur hätte helfen können! Aber
Weitere Kostenlose Bücher