Das Traumtor Band II (German Edition)
unwillkommene neue Königin beseitigen konnte, doch als der Morgen graute, hatte er sie alle wieder verworfen. Er durfte Ilin leider nicht vergiften, denn das wäre nur auf Rowin zurückgefallen und hätte erst recht einen Krieg mit Muran heraufbeschworen. Und genau das war es ja gewesen, was Athama durch ihre Flucht hatte verhindern wollen. Nein, so war das Problem nicht zu lösen! Schwerfällig erhob er sich von der Bank, um sich einen neuen Krug Likör zu holen, als sich die Tür zu seinem Laboratorium plötzlich öffnete. Zu seiner Überraschung stand Narin im Türrahmen, bleich, übernächtigt und mit wirrem Haar. Leston ahnte sofort, warum der junge Ritter kam.
„Komm nur herein, mein Junge“, sagte der alte Arzt. Ein kleines wehmütiges Lächeln trat in seine Augen. „Setz dich nur her und sag mir, wie ich dir helfen kann.“
Langsam trat Narin zum Tisch und ließ sich mit einem tiefen Seufzer auf einen der Hocker fallen. Dann stützte er die Ellenbogen auf und verbarg sein Gesicht in den Händen. Leston ergriff einen weiteren Becher und füllte ihn aus dem frischen Krug halb mit dem Kräuterlikör.
„Da, trink das!“ sagte er und schob den Becher vor Narin hin. „Das ist eine Arznei, die den Schmerz eines kranken Herzens ein wenig lindert.“
Narin hob den Kopf und sah den Alten an. „Ich will nicht meinen Schmerz lindern, ich will Gerechtigkeit für das Unrecht schaffen, das hier geschieht!“ stieß er heftig hervor. „Wie kann diese Muranin auf dieser Hochzeit bestehen, wo sie doch genau wissen muss, wie glücklich König Rowin mit unserer Herrin Athama war? Gern hätte ich mein Leben für meine Herrin auf dem Schlachtfeld gegeben, denn du weißt, wie viel ich ihr verdanke.“ Ohne nachzudenken ergriff er den vor ihm stehenden Becher und leerte ihn in einem Zug. Dann fuhr er fort: „Sie war es, die mich vor der Schande der Vertreibung vom Hof bewahrte und die König Rowin um Milde für mich bat, als ich gefehlt hatte. Sie hat dadurch mein Leben gerettet, denn ich hatte mich in mein Schwert stürzen wollen. Und nun ist sie fort, sie, der ich mein Leben weihte! Nicht genug, dass ich sie verlor, auch sonst ist für mich nun alles zu Ende. Denn du weißt, dass ich nie mehr in Rowins Leibgarde zurückkehren kann. Ich durfte ja nach seinem Spruch nur bleiben, weil sie mich in ihren persönlichen Dienst nahm. Doch nun, wem soll ich nun dienen? Etwa dieser muranischen Hexe, die die Dämonen zerreißen mögen? Was können wir nur tun, Leston, um dieses Weib vom Hof zu vertreiben und unsere Herrin Athama zurückzuholen? Ich bin fest entschlossen, diese Fremde zu töten, die mein Leben zerstörte! Wenn du mir kein Gift gibst, werde ich sie mit dem Schwert erschlagen, egal, was dann aus mir wird. Denn wenn sie tot ist, kann Rowin die Herrin Athama zurückholen.“
„Langsam, langsam, junger Hitzkopf!“ beschwichtigte Leston den Erregten. „Höre z unächst einmal, was ich dir zu sagen habe. Verachte nicht den Rat eines alten Mannes! Auch ich habe die ganze Nacht mit denselben Gedanken gespielt die du. Aber ich habe auch erkannt, dass nichts damit gewonnen ist, wenn wir Prinzessin Ilin töten. Im Gegenteil! Dann geschieht genau das, was die Herrin Athama verhindern wollte. Dann gibt es nämlich wirklich Krieg mit Muran, denn König Geran würde den Tod seiner Tochter rächen.“
„Dann gibt es eben Krieg!“ schrie Narin. „Alle meine Kameraden sind genau wie ich bereit, das Unrecht an Athama blutig zu rächen!“
„Und damit Athamas Opfer sinnlos zu machen?“ fragte Leston ruhig. „Bedenke, sie gab ihr Glück dahin, damit die Menschen von Valamin nicht leiden müssen. Willst du, dass das vergebens war, dass wir sie ohne Grund verloren haben? Du weißt, König Rowin war bereit, sein Glück mit dem Schwert in der Hand zu erkämpfen und es auf einen Krieg mit Muran ankommen zu lassen. Darum nur ging Athama fort, weil sie nicht schuld sein wollte am Tod unzähliger Menschen. Willst du nun doch diese Schuld auf ihre Schultern laden? Nein, Narin, dieses Problem kann nicht mit dem Schwert und nicht sofort gelöst werden. Nur die Zeit kann uns die Lösung bringen. Wir müssen geduldig abwarten, bis sich eine Möglichkeit bietet, Ilin entweder vom Hof zu vertreiben, ohne dass unseren König eine Schuld trifft, oder sie so zu beseitigen, dass es wie ein tragisches Unglück aussieht, für das Geran Rowin nicht verantwortlich machen kann. Aber das darf nicht zu schnell geschehen, weil es sonst zu sehr nach
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