Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York
Deutschland und in den Osten zurückgekehrt sind (in-cre-di-ble!), von unserer kleinen Tora-Lerngruppe mit Urs und Werner (gor-geous!) und unserer Chuppe im Hinterhof (a miracle!). Und weil sie das alles so unvorstellbar und mich offensichtlich noch viel exotischer als russische Juden fanden, wurde ich dann noch an ich weiß schon gar nicht mehr wie vielen Stellen und Orten herumgereicht, von Borough Park nach Williamsburg, von Williamsburg nach Monsey, von Monsey nach Crown Heights , und weil die Chassidim es auch nicht verpassen wollten, hatte ich noch die Ehre, bei den Belzer, Byalistoker, Novomirsker, Klausenburger und Wishnitzer Chassidim »das Wunder von Ost-Berlin« zu geben.
Irgendwann zwischendurch habe ich mich einmal außerhalb des offiziellen Programms in die Lower East Side geschlichen, um die Straße und das Haus anzusehen, in dem meine Mutter aufgewachsen ist und nicht weit davon die Redaktion vom »German American« war, für die mein Vater gearbeitet hat.
Den Schabbes durfte ich in Brooklyn im Hause von Jehuda Munk verbringen, dessen Vater noch in der Frankfurter Hirsch-Gemeinde seine Bar Mitzwa gemacht hat und der also entsprechend gutbürgerlich deutsch eingerichtet ist und keine Plastikfolie über die weiße Tischdecke gespannt hat. Ehrlich gesagt, ich habe mich da plötzlich ganz wohl gefühlt, denn wenn das auch nicht unser Stil ist, ist es mir wenigstens vertraut, im Gegensatz zu dem chaotischen Milieu der Chassidim, wo die Kinder noch nicht mal englisch sprechen. Jehuda Munk hatte mir zu Ehren lauter »Deutsche« eingeladen, alles Nachfahren der ABC-Dynastie, weißt schon – Auberbach, Bamberger, Carlebach, und sie meinten, sie müßten mir am nächsten Tag noch etwas zeigen. Ich traf sie also am Sonntag wieder, und da zeigten sie mir in einem Haus in Brooklyn ein ganzes Lager voller Bücher, deutscher Bücher. Gebetbücher, Tora-Ausgaben, Tora-Kommentare und andere rabbinische, aber auch historische Schriften, alles durcheinander und unberührt seit vielen Jahren. Das, was ich da sah, ist, wie sie mir erklärten, der Bestand aus dem Depot in Offenbach, wo die amerikanische Armee nach dem Krieg die herrenlosen Bücher zusammengetragen hat, deren Leser nun entweder ermordet oder an die verschiedensten Enden der Welt geflohen waren. Von den Nachkommen der deutschen Juden hier in Amerika liest aber keiner mehr deutsch, sagten sie und forderten mich deshalb auf, soviel von den Büchern mitzunehmen, wie ich nur tragen könne. Dann haben sie mich mit den Büchern allein gelassen, und ich habe unter den vielen, wirklich sehr interessanten Sachen eine Kiste für uns zusammengestellt. Die schicken sie uns mit dem Schiff nach Europa zurück. Es war auch ein Chumasch mit dem Kommentar von Hirsch dabei, den ich extra für Dich ausgesucht habe. Auf den Titelseiten steht:
Der Pentateuch
übersetzt und erläutert von Samson Raphael Hirsch
Rabbiner der Syn.-Gem. »Israelitische
Religionsgemeinschaft« zu Frankfurt a. M
Verlag von J. Kauffmann
Frankfurt am Main 1920
Unten eingeklebt ein Schildchen:
Buchhandlung Louis Lamm
Berlin C 2
Neue Friedrichstr. 62/63
Exlibris Stempel: Simon Friedmann ,
daneben der Name in hebräischer Schreibschrift, darunter ein Stempel: Archival-Depot Offenbach a.M.
Und darunter habe ich nun mit der Hand Deinen Namen geschrieben und das Datum, April 1984, und ich bringe das Buch gleich mit, denn die Verschiffung dauert voraussichtlich mehrere Wochen.
Habent sua fata libelli, oder wie das heißt.
Das ist der erste Bericht meiner amerikanischen Erlebnisse. Jetzt drücke ich auf »drucken«, der Druckapparat, der neben dem Tisch steht, spuckt gleich einen Blätterhaufen aus, und die stecke ich Dir dann ins Kuvert. Eigentlich erinnert das aneinanderhängende Lochstreifen-Papier an eine Papyrusrolle!
Bis ganz bald back in Yurop!
Dein P.
Dorfleben
Im großen und ganzen laufe ich, seit ich in New York bin, eigentlich immer hinter meiner Freundin her. Wo sie hingeht, da gehe ich auch hin. Und das gefällt mir. Wenn ich sie zu Konzerten, Proben oder Auftritten begleite, zu den eigenen oder denen ihrer Kollegen, finde ich die scheinwerferbeleuchtete Bühnenwelt wieder, die ich vor so langer Zeit verlassen habe und die mich bei jeder der seltenen Wiederbegegnungen noch immer in gleichem Maße anzieht und abstößt, ein Gefühl, das so stark ist, daß ich aus Angst, von ihm völlig überwältigt zu werden, solche Begegnungen möglichst vermeide. Das Theater
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