Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York
gemeinsam bewohnen. Die Indianer und einige schwarze activists sehen das natürlich anders und lehnen das Fest ab.
Alles Dröhnen und Tosen hat aufgehört, das Zischen, dasKrachen, das Stimmengewirr. Laufen, Schieben, Rennen gibt es nicht mehr. Keine Sportler auf dem Dach, keine Passanten auf der Straße. Keine Jogger oder Rollerblader. Keine Preßluftbohrer oder Preßlufthämmer. Keine Bauarbeiten, nichts wird repariert.
Die Straßen sind leer, die Geschäfte geschlossen, auch die Krimskramläden und Zeitungskioske sind zu. Genau wie die Delis, die Coffeeshops, Take-aways und alle übrigen Restaurants.
Die chinesischen, asiatischen, orientalischen, französischen, italienischen, südamerikanischen, die südostmitteleuropäischen, koscheren, karibischen und afrikanischen.
Die Public Library und alle anderen libraries , die Universitäten, die Museen. Die Büros.
Wallstreet und Stock Exchange und alle übrigen Finanzinstitute und Banken.
Sämtliche Yoga-, Gesundheits- und Gymnastikkurse fallen aus.
Sechzig Minoritäten in 50 Sprachen und Dutzenden Religionen ruhen aus und bereiten sich auf das Truthahnessen am Abend vor, mit dem sie der Pilgrimfathers gedenken. Sanda hat für uns beide je ein Truthahnbein bereitet. So begehen wir den Feiertag.
Am Tag darauf, Freitag, beginnt der Winterschlußverkauf, Black Friday genannt, nicht etwa, weil er an den SchwarzenFreitag von 1929 erinnert, sondern im Gegenteil, weil er die Geschäfte bis Weihnachten in die schwarzen Zahlen bringen wird. Donnerstag hat New York einmal tief Luft geholt, und am Freitag kannst du es wieder in seiner ganzen Phrenesie und im Kaufrausch erleben.
Far Rockaway
Far Rockaway liegt auf dem schmalen Streifen, der die Jamaica Bay einschließt und vom offenen Meer trennt. Far Rockaway ist der ferne Osten der Stadt New York, dahinter beginnt Nassau County, im Stadtplan ist an dieser Stelle eine deutliche Grenzlinie eingezeichnet. Weißer Sandstrand und Möwen, die kreisen und kreischen, feiner Regen, der das überirdische Licht des blassen Tages verhängt. In der Nacht hat es zum ersten Mal geschneit. Die Strandpromenade reicht weiter als der Blick nach Osten und nach Westen. Ich kann meine Füße in den Atlantik stellen und nach Europa zurückschauen, wenn ich nur wüßte, wie ich mich richtig einzuordnen habe, damit ich nicht etwa nach Brasilien hinuntergucke.
In Far Rockaway wohnt mein Cousin Daniel mit seiner Familie, in einer der unzähligen Beach Streets, die alle durchnumeriert sind, wie es hier üblich ist. Einige von Daniels Kindern sind schon ausgezogen und leben jetzt in Israel, aber an diesem Wochenende sind zufällig alle daheim, deshalb habe ich mein Dorf und Manhattan zum ersten Mal verlassen und bin in den fernen Osten hinausgefahren, zu einem Familienbesuch. In der Woche hat Daniel keine Zeit, er arbeitet in einer Bank, ist aber nicht Banker, sondern Informatiker und muß sehr busy sein, wie alle Amerikaner. Mein Cousin ist ein richtiger Orthodoxer,nicht nur »light« wie ich, obwohl auch er das nicht immer war. So wie einige Juden unserer Generation , die nicht viel Sinn fanden im Judentum ihrer Eltern, das, wie J ehoschua Leibowitz es treffend ausgedrückt hat, »nur in einem Bewußtsein des Judese ins, aber nicht in der Realität des Judeseins existiert«, hat auch Daniel sich in seinen Zwanzigern zu einem Leben als observant Jew entschlossen. Dieser Punkt der Umkehr liegt aber auch schon lange zurück, seitdem lernt und lehrt er Tora und Talmud, und da er jeden Tag anderthalb Stunden nach Manhattan hinüber- und wieder zurückfahren muß, schläft er wenig, und das sieht man ihm auch ein bißchen an.
Nach Far Rockaway hinauszufahren, ist nämlich eine richtige kleine Reise, man muß dazu vom Penn Station die Long Island Raul Road nehmen. Penn Station ist eine Großstadt für sich, und alle eilen im Großstadtrhythmus, nur ich bummele wie halt eine aus dem Dorf und versuche, den richtigen Eingang zu meiner Linie zu finden. Die Stimmen, die dauernd erschallen und etwas ansagen, verstehe ich meistens nicht, weil ich die Ortsnamen und Richtungen nicht kenne, und man versteht doch nur, was man kennt.
Der Fahrkartenautomat bietet mehrere Sprachen an, in denen er mit mir kommunizieren will. Es war mir schon aufgefallen, daß die Sprachen nicht an allen Stationen dieselben sind. Manchmal ist Russisch oder Chinesischdabei, Deutsch oder Französisch nie, Spanisch dagegen ist sowieso die zweite Landessprache. Nachdem ich Englisch als
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