Das ueberirdische Licht - Rueckkehr nach New York
Ecke Prince Street, der zu einem sehr komfortablen Trainingsraum umgebaut ist, liegen Matten aus und steht eine schöne, golden-rote Buddha-Statue, die sonst aber nicht weiter beachtet wird. Wir bezahlen Eintritt wie im Kino, man muß sich nicht lange anmelden oder einschreiben. Zu Beginn der Seance, nachdem sich jeder auf seiner Matte eingeschränkt hat, werden einige Verse in Hindi geschnurrt; mir wird, weil ich neu bin, eine Karte mit der lateinischenUmschrift des Verse in großen Buchstaben vor die gefalteten Beine gelegt, damit ich mitschnurren kann. Ich entscheide innerlich, daß ich mich mit diesem Ritual nicht etwa an einem Götzendienst beteilige. Am Ende des Verses stoßen wir in tiefem Ausatmen einen sich fast bis zum Schrei anschwellenden Seufzer aus. Danach verlangt uns Heather, die Yoga-Meisterin, Übungen, Positionen und Stellungen ab, die nichts mit denen zu tun haben, die ich von meinen französischen Yoga-Seancen kenne, wo es viel gemütlicher zugeht. Hier sind selbst die Ruhepositionen so anstrengend und bewegt wie bei uns in Straßburg eine ganze Stunde, ich denke mir, es muß so eine Art Kampf- Yoga sein. Weil ich manchmal gar nicht verstehe, was gemeint ist, da ich die englischen Begriffe nicht kenne oder die amerikanische Aussprache der Position nicht verstehe, die ich sonst immer mit französischem Akzent höre, Schawahadana und Buddhimudra, gucke ich alles bei Sanda ab. Ich gebe mir wirklich große Mühe, die Beine hinter dem Kopf zu verschränken und dabei auf den Händen zu laufen, es gelingt mir leider überhaupt nicht, Heather jedoch ermutigt mich nach dem Think-positive -Prinzip in meinem Bemühen, excellent! Barbara, wonderfull!, sie setzt sich sogar neben mich und streicht mir die Augenbrauen zurecht, die bei mir immer so wild in der Gegend ’rumliegen.
An jedem Tag der Woche, praktisch zu jeder Tageszeit bisspät in den Abend hinein, können all die Künstler oder Businessmenschen, die hier in der neighbourhood wohnen oder zu tun haben, in Heathers Yogastudio kommen, um sich ein- und aufzufalten. Heather hat das Yogastudio erst vor ein paar Jahren eröffnet, erzählt mir Sanda, und nun hat sie schon eine Handvoll Yogalehrer einstellen müssen, weil es so gut läuft.
Nach dem Yoga gehen wir meist noch mit Eva, einer deutschen Freundin von Sanda, die schon dreißig Jahre in New York lebt, eine hot chocolate im Space Untitled trinken, wo man sich in tiefe Sessel und Sofas fallen lassen kann. Dort habe ich die beiden einmal gefragt, woher nach ihrer Meinung die Energieströme kommen, die hier jeder zu fühlen behauptet. Sanda sagt, daß sie diese Ströme noch nach zehn Jahren so wie am ersten Tag empfindet; sie meint, vulkanisches Gestein und Magnetfelder seien die Ursache. Ihre Freundin dagegen glaubt, daß die Meeresströmungen und der immer kräftige Wind jene Euphorie hervorrufen, von der sie sich nach dreißig Jahren noch immer genauso durchflutet fühlt wie am Tag ihrer Ankunft, und beide beteuern durch heftiges Nicken, daß sie nie im Leben wieder in irgendeiner anderen Stadt der Welt leben könnten. Niemals.
Als ich an einem dieser Abende durch die völlig überfüllten Streets des Village in meine Residenz zurückkehre, staut sich vor einer Bar eine besonders große Menschentraube.Ein Restaurant hat gerade neu eröffnet, und an der Fassade blinkt eine hellblaue Leuchtschrift seinen Namen: meinen Kindernamen, mit dem mich meine Mutter rief und mit dem ich auch heute noch von mir nahestehenden Menschen genannt werde, unter dem ich Zärtlichkeiten und Scheußlichkeiten zu hören bekommen habe! Ich glaube zu träumen, es ist aber wahr – die Leuchtschrift blinkt den Namen mit allen seinen Buchstaben. Ein indisches Wort, was immer es heißen mag, erfahre ich von einem, der dort around hängt. Meine Mutter hatte immer gesagt, der Name sei ungarisch.
Als ich mich schlafen lege, lärmt und blinkt, leuchtet, glitzert und braust die Stadt wie am hellichten Tag weiter. Wir sind hier definitively nicht in Iowa.
Zwei Tage später aber steht plötzlich alles still. Es ist unfaßbar! Ruhe, Stille, kein Geräusch, kein Mensch! Thanksgiving ist ausgebrochen, ein Feiertag, der nach einer merkwürdigen Berechnung fest und beweglich zugleich ist und immer auf einen Donnerstag fällt. Jede religiöse Anspielung fehlt ihm, deshalb kann er von allen Einwanderergruppen gefeiert werden und ihnen ein Gefühl von Zusammengehörigkeit untereinander und der Identität mit dem Land geben, das sie
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