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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mechanischen oder animalischen Ursprungs? An welchen Stellen befinden sie sich?«
    »Es geht darum«, sagte Babajew und begann auf einmal zu schwitzen, »eine Frau ohne Kopf zu finden.«
    »Ha!« Lallikow zuckte von der Stuhllehne. »Ein Mord?« Sein Herz schlug einen Wirbel. Er hatte sich schon immer gewünscht, als medizinischer Sachverständiger in einem Kriminalfall tätig werden zu können, um zu beweisen, wie messerscharf seine Gedanken noch waren. Aber in Nowo Korsaki passierte nichts; die Menschen dort stanken vor Ehrbarkeit. Als einmal, vor vier Jahren, der Überlandfahrer Sergeij die Tochter des Tischlers Njemlenko gewaltsam geschwängert hatte, war der Fall sofort erledigt gewesen, als Sergeij das Mädchen heiratete. Von Drama gar keine Rede. Die Menschen in Sibirien barsten vor Ehrlichkeit. Aber nun das! Eine Frau ohne Kopf! In Nowo Korsaki! Dr. Lallikow bekam einen seiner kurzatmigen Anfälle und mußte sich an der Tischkante festhalten.
    »Ein Lustmord?« keuchte er mit hervorquellenden Augen. »Mißbraucht und dann Kopf ab? Hui! Durch den Ort weht ein böser großstädtischer Wind. Wo kann man die Dame besichtigen?«
    »Hier.« Babajew legte seine Hände auf die Fotos. »Ich habe sie vergrößert.«
    »Was haben Sie?« fragte Lallikow atemlos.
    »Ich habe zwölf Fotos von ihr. Von oben und unten, von allen Seiten.«
    »Toll.«
    »Aber der Kopf fehlt.«
    »Natürlich.« Dr. Lallikow streckte die Hand aus und wedelte mit den Fingern. »Geben Sie her. Reden Sie nicht so viel, Nikita Romanowitsch. Ist es eine saubere Köpfung? Ich meine: ein glatter Schnitt? Die Fotos her! Behindern Sie nicht die Wahrheitsfindung.«
    »Es geht uns darum, Doktor«, sagte Kasutin und zog die Fotos an sich heran, bevor Lallikow sie ergreifen konnte, »ob Sie die Unbekannte identifizieren können. Ob Sie sie auch ohne Kopf erkennen, nur anhand ihres Körpers? Die Brüste, der Bauch, die Schenkel …«
    »Sie ist nackt?« fragte Lallikow und schnaufte schwer.
    »Ja, völlig.«
    »Einwandfrei ein Sexualdelikt.«
    »Man kann es wohl so nennen«, sagte Babajew. »Auf jeden Fall ist das für unsere Stadt ein riesiger Skandal. Da läßt sich eine Frau nackt fotografieren …«
    »Wenn man keinen Kopf mehr hat, ist das noch verzeihlich.« Lallikow setzte sich wieder. Sein Asthmaanfall war vorüber. »Wo liegt die Frau? Der Körper selbst gibt mehr Aufschluß als die Fotos.«
    »Wir haben nur die Bilder.« Kasutin seufzte. »Das ist es ja, Genosse Lallikow, wir haben nur die Fotos ohne Kopf und wollen nun wissen, wer es ist. In Ihrer Praxis sind doch schon alle Frauen von Nowo Korsaki gewesen, es könnte deshalb möglich sein, daß Sie anhand besonderer Körpermerkmale zu sagen vermögen: Das ist die Genossin soundso.«
    »Wer hat die Tote fotografiert?«
    »Der Geologe Jankowski.«
    »Mein Gott!« Dr. Lallikow rang nach Atem. »Das ist doch unmöglich, Victor Semjonowitsch ist doch kein Mörder!«
    »Die Fotos zeigen auch eine Lebende«, sagte Babajew laut.
    »Ohne Kopf?« brüllte Lallikow. »Seid ihr am Morgen alle schon besoffen?«
    »Er hat den Kopf weggelassen. Jedes Bild fängt am Hals an. Das ist ja die Frechheit. Da fotografiert er einen nackten Frauenkörper und läßt den Kopf weg. Eine Infamie! Eine tiefe seelische Belastung für jeden!« Kasutin verschluckte sich vor Erregung, hustete bellend und erholte sich davon nur mühsam. Seine Stimme blieb im halben Diskant hängen. »Man kommt auf Gedanken, Doktor, auf Gedanken kommt man … es zerreißt einen förmlich. Und man kann Jankowski nicht fragen. Babajew ist als Fotograf ebenso eine Vertrauensperson wie Sie als Arzt eine sind. Aber das nackte Weib kann man nicht übersehen, es ist da, es lebt unter uns, und es posiert nackt vor Jankowskis Linse.« Kasutin röchelte fast. »Sehen Sie sich das an!«
    Dr. Lallikow blätterte die Fotos durch, beäugte sie eingehend und putzte ein paarmal seine dicke Brille, weil die Gläser beschlugen. »Hervorragend«, sagte er dabei. »Sehr schön. Überzeugend. Nanana, das ist eine Perspektive! Ha, wie reizend! Das ist mit dem Blick des Liebenden gestaltet. Nein, diese Formen! Nicht ein Fältchen. Nicht ein Fettpölsterchen. Nichts hängt herum.«
    Kasutin vergrub den Kopf in beide Hände und starrte den Arzt verzweifelt an.
    »Welche Frau in unserer kleinen Stadt hat so einen Körper?« fragte er dumpf. »Wer könnte es sein? Simon Michailowitsch, ich frage in Ihnen jetzt nicht den Arzt, sondern den Genossen unserer ruhmreichen

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