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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Toten. Im Sarg aufgebahrt, mit Blumen umkränzt, gaben die geliebten Dahingeschiedenen die angestauntesten Motive her. Diese Bilder in schwarzen Rahmen, effektvoll beleuchtet, fehlten bald in keinem anständigen Haushalt von Nowo Korsaki mehr.
    Aber auch Babajews sonstige Produktionen zeugten von hoher Begabung. Seine Fotos von der Kirche, seine Landschaftsaufnahmen, seine Reportagen über Hochzeiten oder Parteifeiern bereicherten das Kulturleben von Nowo Korsaki. Außerdem verkaufte er natürlich Fotoapparate, veranstaltete Fotokurse, entwickelte und vergrößerte Amateuraufnahmen und hielt Lichtbildervorträge. Man durfte es mit Fug und Recht aussprechen: Nikita Romanowitsch Babajew prägte maßgeblich das Gesicht von Nowo Korsaki mit.
    Das alles zu wissen, ist ungemein wichtig. Denn wer kennt schon das Leben dort am unteren Tobol, in den Wäldern bei den ›Sechs Jungfrauen‹, in denen man noch wildlebende Luchse und Nerze antreffen kann, wo in den Sumpfgebieten die Biber ihre Dämme bauen und im Winter das Heulen von Wolfsrudeln das ganze, im Eis erstarrte Land erschauern läßt?
    So etwas prägt die Menschen, macht sie hart und läßt sie anständig bleiben. Es zwingt sie, eine große, eng verbundene Gemeinschaft zu werden, in der Sorgen und Freuden geteilt werden. Kleine menschliche Schwächen sind natürlich gang und gäbe. Aber dafür war in Nowo Korsaki Akif Victorowitsch zuständig, der jeden Sünder in die Kirche holte, vor der Ikonostase beten ließ und ihn – je nach Verfehlung – in einem kahlen Seitenraum, in dem nur ein Foto von Babajew hing, eine Höllen-Ikone aus der Sankt-Isaak-Kathedrale in Leningrad darstellend, entweder ohrfeigte und ihm mehrmals in den Hintern trat, oder ihn zur Kasse bat zum Zwecke des Ausbaus der Kirche. Es gab daher wenige Sünder in Nowo Korsaki, und auch nur deshalb duldete der Parteisekretär Pjotr Dementijewitsch Kasutin die Kirche in seinem Bezirk. Er betrachtete sie ökonomisch als eine Art Filter.
    An einem schönen Frühsommertag, für den jeder Mensch, der ein bißchen Gefühl besitzt, Gott zu danken bereit war, begann nun das Drama, das Nowo Korsaki mehr durchschüttelte als ein Erdbeben mittlerer Stärke.
    Es begann ganz harmlos: Victor Semjonowitsch Jankowski gab bei dem Fotografen Babajew einen Rollfilm ab, zwölf Aufnahmen 6x6.
    »Es wäre mir lieb, Genosse«, sagte Jankowski dabei, »wenn Sie die Bilder auf 18x18 vergrößern könnten. Das ist doch möglich?«
    »Wenn Sie es wünschen, mache ich ein Plakat, so groß wie eine Hauswand, daraus«, antwortete Babajew ahnungslos. »Wann brauchen Sie die Bilder, Genosse?«
    »Möglichst schnell.«
    »Sagen wir übermorgen?«
    »Gut.«
    »Matt oder glänzend?«
    »Hochglanz, bitte.«
    Babajew notierte sich den Namen, steckte den Film in eine braune Tüte und vermerkte auf ihr den Kundenwunsch. Jankowski kaufte auch noch einen neuen Film, sechs Blitzwürfel und verließ dann den Laden, wobei die Glöckchen oben an der Tür fröhlich klingelten.
    Victor Semjonowitsch Jankowski war vor neun Wochen in Nowo Korsaki aufgetaucht und hatte sofort Aufsehen erregt. Er war jung, hellblond, groß, sportlich muskulös, hatte blitzende blaue Augen, immer ein Lächeln auf den Lippen und kam aus Leningrad. Er war mit einem hochbeinigen, mit Geräten vollbepackten Geländewagen in das Städtchen gekommen, hatte sich bei Kasutin gemeldet und ein sehr interessantes Papier vorgelegt. Demnach hatte er den Auftrag, in der Umgebung von Nowo Korsaki geologische Untersuchungen vorzunehmen, Probebohrungen und Vermessungen, und das Ministerium bat darum, ihm alle Unterstützung zuteil werden zu lassen.
    Kasutin sagte ihm alles zu, quartierte Jankowski in einem alten Haus ein, das dem schwerhörigen Dachdecker Fessenko gehörte, einem zweiundachtzigjährigen Greis, der meistens in einem Lehnstuhl saß und seit vierzehn Jahren in einem bebilderten Buch las, das die Eroberung von Odessa durch die Rote Armee schilderte. Jankowski war viel unterwegs, meistens bei den ›Sechs Jungfrauen‹ und in den Wäldern, blieb auch manchmal ein paar Tage und Nächte draußen in der Wildnis, schlief in einem gefütterten Schlafsack und schoß sich seine Braten nach Wahl aus dem reichlichen Wildbestand heraus. Was er eigentlich tat, überblickte niemand, auch nicht Kasutin.
    »Er ist Geologe«, sagte Kasutin zu den Neugierigen, die ihn bedrängten. »Er hat ein Schreiben vom Ministerium bei sich. Das genügt doch, Genossen? Sind wir berechtigt oder gar in

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