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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Lage, ein Schreiben des Ministeriums zu überprüfen? Ich bitte euch, meine Lieben! Das Dokument trägt drei Unterschriften und vier Stempel!«
    So etwas imponiert jedem Russen. Ein Brief mit drei Unterschriften erzeugt Ehrfurcht. Dazu noch vier Stempel – Genossen, haltet den Mund! Victor Semjonowitsch ist in einer wichtigen Mission hier. Wenn er nicht von selbst darüber spricht – Ruhe bewahren, er wird seine Gründe haben. Man hört so wundersame Dinge, was alles unter dem Boden Sibiriens verborgen liegen soll. Wir dummen Alltagsmenschen sehen ja nur die Oberfläche.
    Jankowski war in Nowo Korsaki bald ein beliebter Gast. Er konnte spannend erzählen, hatte gepflegte Manieren, starrte den Frauen der Gastgeber nicht sofort auf die Brüste, erzählte keine schweinischen Witze, spielte sehr gut Schach und war überhaupt ein betont höflicher, zurückhaltender Mensch. Seine männliche Attraktivität löste zuerst Alarm bei vielen Ehemännern und den Vätern erwachsener Töchter aus, aber als sich herausstelle, daß der verführerische Victor Semjonowitsch keinerlei Katermanieren an den Tag legte, betrachtete man ihn als einen Glücksfall von Gast. Auch der Pope lud ihn mehrmals zum Essen ein, das heißt vielmehr, Akif Victorowitsch Mamedow berichtete bei diesen Gelegenheiten jeweils so herzerweichend von der Lage der Priester im einsamen Sibirien, daß Jankowski gar nichts anderes übrigblieb, als nicht sich einladen zu lassen, sondern umgekehrt den Popen zu einem opulenten Essen zu bitten. Mamedow erschien mit der Bibel in der Hand, segnete Jankowski, las vor Tisch aus der Heiligen Schrift vor und fraß dann alle Schüsseln leer.
    Am begeistertsten von Jankowski aber war der alte Fessenko, der Hausbesitzer, bei dem der junge Mann wohnte: Victor Semjonowitsch brachte ihm nämlich von einer Reise nach Swerdlowsk einen neuen Bildband mit: ›Die Verteidigung von Leningrad gegen die Nazitruppen‹. Damit war Fessenkos Lebensabend ausgefüllt. Der Greis wurde in diesem Jahr ja zweiundachtzig.
    Der Fotograf Babajew schloß also an diesem Tag seinen Laden pünktlich um 19.00 Uhr, holte aus dem Holzkasten die Amateurfilme und verschwand in seinem Labor. Obwohl das sein Beruf und damit seine Arbeit war, empfand Babajew immer Freude an den harmlosen Fotos, die seine Kunden knipsten und die er entwickelte und vergrößerte: Mamuschka beim Wäscheaufhängen; Großväterchen beim Holzspalten; eine Teerunde mit breit und dümmlich grinsenden Weibern; ein Hundebastard, der gerade auf Onkelchens Aktentasche schiß; ein junger Mann auf einem Fahrrad; ein halbwüchsiges Mädchen auf einer Schaukel zwischen zwei Birken; alles in allem die kleine, wichtige Welt seiner Mitmenschen, die in den Fotos konserviert wurde.
    Gegen 22.00 Uhr hatte Babajew alle Filme entwickelt und gewässert. Sie hingen zum Trocknen an der Leine und sollten kurz danach durch die kleine Kopiermaschine laufen. Auch darin war Babajew fortschrittlich eingerichtet – die normalen Abzüge vertraute er einer Maschine an. Anders verhielt es sich mit den Bildern von Jankowski. Dieser war ein kritischer Kunde, da kam es auf Feinheiten an, da war gute Handarbeit vonnöten. Da mußte man Zwischentöne herausholen, grobe Schatten beim Vergrößern wegwedeln … es gibt da einige Tricks, die nur Profis, wie Babajew einer war, bekannt sind.
    Kurz nach 22.00 Uhr hing Jankowskis Film allein an der Leine. Babajew starrte die Negative an, bereitete dann mit zitternden Händen die Vergrößerung vor, spannte das erste Negativ ein, projizierte es in der Größe 24x24 (statt wie gewünscht 18x18) auf den Tisch und legte dann das Papier unter. Mit dicken Schweißperlen auf der Stirn belichtete er, trug dann mit der Zange das Papier zum Entwicklungsbad und legte es hinein. Langsam erwachte unter seinen starren Augen das Foto auf dem Papier, nahm Formen an, wurde deutlich, erreichte den richtigen Punkt. Babajew holte das Blatt aus der Brühe, schwenkte es im Fixierbad und hängte es dann mit einer Klammer an die Schnur. Ganz kurz ließ er es abtropfen, nahm die Vergrößerung und rannte hinaus. Er legte es unter eine starke Lampe, warf sich davor in einen alten Korbsessel und wischte sich zunächst den Schweiß aus dem Gesicht. Durch seinen Körper lief ein leichtes Zittern, so, als habe man ihn an einen schwachen elektrischen Strom angeschlossen, der nun mit seinem Blutkreislauf durch alle Adern floß.
    »Das ist toll!« sagte Babajew mit trockener Kehle. »Du lieber Himmel,

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