Das Unglück der kleinen Giftmischerin
Tumakows Familie gehandelt hat und nicht - ohne oder mit Puchlins’ Wissen - um eine Schmuggelsendung mit Betäubungsmitteln.
Zur Erkenntnis, es gäbe keinen anderen Ausweg, als Tumakow Todesangst einzujagen und ihn so einzuschüchtern, dass dessen eigenes Motto: Wer Angst vor mir hat, der respektiert mich auch, bei im selbst wirksam würde, kam Puchlins, wie er betonte, allerdings erst, als Tumakow eine monatliche Summe von 300 DM von ihm verlangte und drohte, andernfalls aus Puchlins’ Freundin »eine Lokomotive zu machen«, d.h., mindestens zehn seiner Kumpane würden sie vergewaltigen. Puchlins sagte, dass bei diesen Worten alles in ihm zusammengebrochen sei. Tumakows lauthals verkündete Beziehungen zur Schutzgeldmafia seiner Heimatstadt habe er ernst genommen, eine panische Angst um seine Freundin habe ihn erfüllt. Sein einziger Gedanke sei gewesen, wie er sie vor Tumakow und seinen Kumpanen beschützen könne.
Leider habe ich Puchlins eine wichtige Frage nicht gestellt: Wie hätte er sich seiner Freundin gegenüber verhalten, wenn sie wirklich vergewaltigt worden wäre? Hätte er sie getröstet? Hätte er dann immer noch Kinder von ihr haben wollen? Oder wäre eine solche Beschmutzung für ihn so unerträglich gewesen, dass er sich von ihr getrennt hätte? Hätte er gar erwartet, dass sie sich danach selbst, allein oder mit ihm zusammen, das Leben nimmt? Wahrscheinlich hätte er auf diese Fragen aber auch gar keine Antwort geben können und, wie so oft bei für ihn schmerzlichen Themen, nur geweint.
Tumakows Brutalität auch ihm gegenüber, sagte Puchlins, hätte seine letzten Zweifel daran beseitigt, dass er zur Ausführung seiner Drohungen vollauf imstande sei. Aber erst als er in einem Kaufhaus am Tag vor der Tat ein Beil gesehen hätte, da sei ihm der Gedanke gekommen, Tumakow, der ihm körperlich weit überlegen war, einen Hieb mit diesem Beil beizubringen. Nein, töten wollen hätte er ihn nicht. Tumakow sollte nur wissen, dass er zur Verteidigung seiner Verlobten zu allem bereit sei. Aus dem Gedanken wurde rasch ein Plan. Unter dem Vorwand, in einer rheinischen Großstadt gäbe es frühmorgens sehr preiswerte Autos, brachte er Tumakow dazu, noch in der Nacht dorthin aufzubrechen. Unterwegs hatte er, wie er sagte, immer mehr Mühe damit, seine Wut auf Tumakow nicht zu zeigen. Auf einem dunklen Parkplatz hielt er an, um pinkeln zu gehen; zum Wagen zurückgekehrt sagte er, im Gebüsch lägen mehrere immer noch brauchbare Autoreifen, Tumakow solle doch nachsehen, ob es lohne, sie mitzunehmen. Als Tumakow zum Gebüsch ging und sich dort bückte, brachte Puchlins ihm einen ersten Beilhieb bei. Aus Angst, Tumakow werde gleich merken, dass da gar keine Reifen lägen, und sich an ihm rächen, hätte er sofort handeln müssen. Eigentlich hätte er mit der flachen Beilseite oben auf den Schädel einschlagen wollen, in der Hast sei aber die scharfe Seite nach vorn geraten und er habe die Schläfe getroffen. Er habe aber gar keinen kräftigen Hieb zustande gebracht, so dass sich Tumakow auf ihn stürzte und ihn zu würgen begann. Puchlins hieb dann, wie er sagte, ohne jede Kontrolle, ohne zu wissen, was er tat, mit dem Beil wild um sich, Tumakow lief noch einige Schritte, Puchlins schlug noch einmal zu, und plötzlich lag Tumakow tot vor ihm. Er hätte nun selbst eine fürchterliche Angst bekommen, sich dann aber an Tumakows Worte erinnert, wie die Mafia ihre Opfer unkenntlich mache. So habe er, sofort nach der Tat, Kopf, Hände und Füße abgehackt, sie weit fortgefahren und weggeworfen, habe sich gewaschen und sei schließlich ins Asylantenheim zurückgekehrt. Er hätte sich trotz des Schreckens über seine Tat und der Angst vor deren Folgen auch erleichtert gefühlt, denn seine Verlobte war nun nicht mehr in Gefahr. Der hier wiedergegebene Tatablauf beruht ausschließlich auf Puchlins’ eigenen Schilderungen. Widersprüche zu den Tatortspuren und den gerichtsmedizinischen Sektionsbefunden ergaben sich während der Hauptverhandlung nicht. Dennoch bin ich nicht sicher, was nicht alles an unbewussten und bewussten Rechtfertigungs- und Beschönigungsversuchen, was auch vielleicht an anwaltlicher Beratung in diesen Bericht mit eingegangen ist: Musste es doch aus verteidigungsstrategischen Gründen darauf ankommen, den Tötungsvorsatz zu minimieren oder ihn doch zumindest zeitlich möglichst nahe an den tatsächlichen Tötungsakt heranzuführen. Wo es um die Tötungsszene selbst ging, drückte Puchlins sich
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