Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
Vom Netzwerk:
Einkommens. Das Kaserer’sche Haus war zwar schon lange abbezahlt, aber der Unterhalt durch die gestiegenen Energiepreise immer schwerer aufzubringen.
    Gegen eins stellten sie fest, dass sie sich einen Granatenrausch angetrunken hatten. Marie Kaserer fiel um, als sie aufzustehen versuchte; er half ihr auf, was wegen der einsetzenden Rotation des Wohnzimmers schwierig war. Er schleppte sie zum Sofa, spendierte eine Decke und stellte die Heizung höher. Dann ging er in sein Schlafzimmer, ohne noch einen Gedanken an Marie Kaserer zu verschwenden. Er schlief sofort ein.

    *

    »Du hast sie eingeweiht? Bist du denn völlig übergeschnappt?« Manfredos Gesicht hatte sich gerötet, aber nicht von der arktischen Kälte draußen, sondern erst im Wohnzimmer, als Romuald ihm von den Ereignissen der letzten Tage erzählte. Seine Unterlippe zitterte, als wolle er jeden Augenblick anfangen zu heulen. Nicht der auch noch, dachte der Chemiker, in diesem Haus wird zu viel geweint, ein wahrer Unglücksort. Manfredo rannte die Kellertreppe hinunter.
    »In der Truhe vom Guttmann!«, rief ihm Romuald nach. Man konnte bei den zahlreichen Kühlbehältern schon den Überblick verlieren. Als Manfredo wieder heraufkam, hatten sich seine Augen gerötet.
    »Es ist alles aus«, sagte er mit leiser Stimme, »du hast alles kaputtgemacht.«
    »Keineswegs! Marie ist eine gute Haut, die wird nichts sagen. Und die Erpressung sind wir auch los – also so gut wie …« Er schilderte das finanzielle Arrangement zur Generalsanierung des Kaserer’schen Anwesens. Die erstaunlich geringe Summe von dreißigtausend Euro besänftigte Manfredo. Er putzte sich die Nase und lauschte den weiteren Erläuterungen, wie eines zum andern gekommen war und endlich keine andere Lösung geblieben sei als die von ihm, Romuald, gewählte. Manfredo musste ihm zustimmen.
    »Und wo ist die Margit Kaserer? Offiziell, meine ich …«
    »In Spanien.«
    Manfredo lachte auf. »In Spanien? Mitten im Winter? Was anderes ist euch nicht eingefallen? Da hat sie wohl eine Einladung von der Frau Dr. Leupold gekriegt …« Er lachte wieder.
    »Tatsächlich war das Maries Idee«, sagte Romuald. »Eine Reise in den Süden ist doch nicht ungewöhnlich …«
    »Habt ihr nicht die Nachrichten angeschaut? Halb Spanien versinkt im Schnee, der schlimmste Winter seit weiß Gott wie vielen Jahren!«
    Romuald seufzte. »Was soll ich machen? Ihre Schwester ist in Spanien, Punktum …«
    »Warum ist Marie dann nicht mitgefahren?«
    »Wollte sie auch, aber dann hat sich der Tumor wieder bemerkbar gemacht und sie am Reisen gehindert.«
    »Ach ja? Also: Margit Kaserer kümmert sich jahrzehntelang um ihre kranke Schwester – und jetzt haut sie plötzlich in den Urlaub ab, obwohl es der Schwester so schlecht geht, dass sie nicht mitfahren kann? Wer soll das glauben?«
    »Da haben wir uns auch etwas überlegt.« Der selbstgefällige Ton Romualds entging Manfredo nicht. »Die gute Margit hat wohl jemanden kennengelernt. Übers Internet, Marieweiß nichts Genaues, nur aus Andeutungen und Halbsätzen, verstehst du, und dieser Jemand ist jetzt auch in Spanien, deshalb die Idee mit der Reise, Margit war fest entschlossen, sie wäre auch zu Fuß nach Spanien gelaufen, sagt Marie, sie war ganz wild darauf, es hat deswegen auch Auseinandersetzungen gegeben – aber schriftlich existiert nichts, nur Telefonate am Handy …«
    »Die Geschichte ist gut«, musste Manfredo zugeben. »Du bist ein begabter Lügner, weißt du das?« Romuald lächelte und antwortete nicht. Es war seit jeher das große Manko Manfredos, dass er die Dinge zwar an-, aber nicht zu Ende dachte. Sonst hätte er auf die Idee kommen müssen, dass Romuald nicht nur alle Welt, sondern auch ihn belog. Aber auf diese Idee kam er eben nicht. Romuald Nowak war gezwungen gewesen, etwas von Nummer siebzehn preiszugeben. Den Namen »Theophanin« erwähnte er nicht, und er nannte die Substanz auch nicht »Nummer siebzehn«, was bedeutet hätte, auch die Nummern eins bis sechzehn zu erwähnen, sondern er nannte sie »ein experimentelles Halluzinogen, das ich von einem früheren Forschungsprogramm zur humanen Kriegsführung noch übrig hatte«.
    »Humane Kriegsführung – das heißt doch, man bringt die Leute nicht um, man sorgt nur dafür, dass sie verrückt werden?«, fragte Manfredo.
    »Etwas verkürzt – aber ja, so könnte man sagen …«
    »Warum hast du denn nicht die Pistole mitgenommen zu diesem Treffen?«
    »Ich wollte Gewalt

Weitere Kostenlose Bücher