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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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sollte die Drogenproduktion dort drüben unterbunden werden. Allein schon aus Gründen der Volksgesundheit.«
    »Du hast völlig recht, aber entschuldige, so weit waren wir doch schon …«
    »Das weiß ich, es ist ja auch eine Zusammenfassung. Oft bringt es was, die Dinge laut und geregelt auszusprechen.« Er unterdrückte die Frage, was geregeltes Aussprechen zum Unterschied vom regellosen bedeuten sollte. Er wollte nicht vom Thema ablenken.
    »Wie können wir das erreichen?«, fuhr sie fort. »Mitteilung an die Behörden fällt aus. Mitteilung an die Produzenten selber?«
    »Wir sollen sie bitten, damit aufzuhören? Wie stellst du dir das vor? Das sind doch Schwerverbrecher. Und mit der Polizei drohen? Ungefähr das Dümmste, was wir machen können. Den Vorteil des eigenen Wissens aufgeben und einen skrupellosenGegner zum Handeln provozieren. Der direkte Weg ins Leichenschauhaus.«
    »Schön. Kommt also nicht in Frage …«
    »Siehst du? So einfach ist es eben nicht. Es ist eine antinomische Situation.«
    Sie lachte. »Ich weiß zwar nicht, was das heißt, aber einfach ist die Sache sehr wohl: Wenn das da drüben niemand anderer beendet, dann müssen wir es selber machen.«
    »Wie denn?« Er war so erstaunt, dass sie wieder lachen musste. »Du machst ein Gesicht wie ein kleiner Bub, dem man grad erzählt hat, dass es kein Christkind gibt – apropos Christkind: Silvester ist noch besser. Pass auf!«
    Sie erläuterte ihren Plan. Als sie geendet hatte, begriff er, dass handeln ein historischer Begriff war, von der Vergangenheit des jeweils Handelnden abhing. Die Tierärztin kam auf Dinge, die dem Redakteur nicht als reale Handlungsalternativen eingefallen wären. Das lag daran, wurde ihm klar, dass der Redakteur in seinem Tun kaum etwas anderes berührt hatte als Telefonhörer, Aufnahmeknöpfe und die Computertastatur, die Ärztin aber die inneren Organe einer lebenden Kuh, in der ihr Arm bis zur Schulter steckte. Sie hat daher zu allem, sagen wir, einen eher unmittelbaren Zugang.

    *

    Romuald war von dem Sturmgeklingel an der Haustür sofort alarmiert. Er hörte es bis in den Keller hinunter. Gutes konnte das nicht bedeuten. Vielleicht die Polizei. Aber die würden dann »Aufmachen, Polizei!« rufen oder etwas Ähnliches. In den Fernsehfilmen machten sie es jedenfalls so. Romuald fühlte leichte Panik, aber nur ganz leichte, eher die Ahnung eines früher oft erlittenen Zustands. Jetzt, nachdem er das Auge Gottes gesehen hatte, erfüllte ihn große Ruhe und die Gewissheit,dass ihm nichts Schlimmes mehr zustoßen konnte. Er ging ins Erdgeschoss hinauf und machte auf. Draußen stand kein Spezialeinsatzkommando in Ninja-Adjustierung, auch nicht die normale Polizei, sondern die jüngere der Kaserer-Schwestern in hochgradig aufgelöster Verfassung. Sie stürmte herein, kaum dass die Tür offen war.
    »Margit ist tot, und Sie sind schuld!«
    »Ja«, sagte er.
    »Was? Sie geben es zu, einfach so?«
    »Natürlich. Sie sind eine erwachsene Frau mit, wie ich annehme, normal entwickeltem Verstand, also darf ich auch davon ausgehen, dass das, was Sie sagen, Hand und Fuß hat. Wenn Sie überzeugt sind, dass ich am Tod Ihrer Schwester schuld bin, haben Sie sicher Gründe für Ihre Schlussfolgerung, die ich begierig bin zu hören.«
    »Bla, bla, bla – Sie sind der typische Akademiker, wissen Sie das? Da kann man sagen, was man will, euch Brüdern fällt immer noch ein schlaue Antwort ein!«
    »Ich kann Ihnen nicht widersprechen.«
    Sie ging ins Wohnzimmer voran und setzte sich.
    »Haben Sie was zu trinken? Ein bisschen was Stärkeres als Kaffee?«
    Er holte die Kognakflasche aus der Küche und schenkte ihr ein.
    »Sie trinken nichts?«, fragte sie.
    »Ich mach das von Ihren Erläuterungen abhängig«, sagte er. »Dann weiß ich, wie viel ich mir einschenken muss …«
    »Dann können Sie das Glas schon einmal halbvoll machen! Margit ist tot.«
    »Das ist bedauerlich, Sie erwähnten es auch bereits, aber was hat das mit mir zu tun?«
    Sie stürzte erst den Kognak hinunter, dann sich selber auf ihn, packte ihn mit beiden Händen am Hemd.
    »Das verfluchte Zeug ist daran schuld! Das Sie uns ins Gesicht gespritzt haben!« Er wehrte sie ab. Es ging ganz leicht, sanfter Gegendruck, sie fiel in den Sessel zurück und begann zu weinen. Extreme Gefühlsschwankungen, konstatierte er, oje! Natürlich hatte sie recht. Theophanin war vor dem ersten Einsatz nicht einmal an Mäusen getestet worden, sondern nur an einem Menschen, Dr.

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