Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das unsichtbare Buch

Titel: Das unsichtbare Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santiago García-Clairac
Vom Netzwerk:
vorbeigekommen und es waren kaum Leute drin.«
    Sie geht voran, und ich folge ihr, wobei ich so tue, als hätte ich eigentlich gar keine Lust. Ich versuche sogar, gar nichts zu sagen, bis wir vor dem Burger Flash stehen.
    »Am besten, wir setzen uns hier ans Fenster«, sagt Lucía, »dann stört uns keiner.«
    »Okay«, antworte ich mit einem Blick auf den Tisch.
    »Setz dich schon mal«, schlägt sie vor, »und sag mir, was du willst, ich hol’s dir.«
    Ich schaue auf die Karte und sage ihr, worauf ich Appetit habe. Wie nett sie plötzlich ist, denke ich bei mir.
    Kurz darauf kommt sie mit zwei vollen Tabletts zurück, stellt sie auf den Tisch und setzt sich mir gegenüber.
    »Endlich!«, ruft sie. »Ich glaube, wir haben alles.«
    »Hier«, sage ich und schiebe ihr die ausgedruckten Seiten rüber, »du kannst gleich anfangen zu lesen.«
    »Danke«, antwortet sie mit einem strahlenden Lächeln.
    Ich weiß nicht, wie sie das anstellt, aber immer, wenn sie mich anlächelt, lächle ich zurück. Wie jetzt. Dann nehme ich meinen Hamburger in beide Hände und beiße hinein.
    »Also«, sagt sie, »es geht weiter:
    Hanna und Sigfrido banden ihre Pferde an einen Baum am Fuße des schwarzen Berges.
    ›Wir gehen hinauf‹, befahl die Prinzessin. ›Wir sind da!‹
    ›Hätte ich bloß nicht auf dich gehört‹, stöhnte Sigfrido.
    ›Hör auf zu jammern‹, wies sie ihn zurecht. ›Jetzt werden wir endlich herausfinden, was in dem Buch steht.‹ «
    Der Hamburger schmeckt prima, und ich muss zugeben, dass Lucía sehr gut vorlesen kann. Wirklich, in diesem Moment fällt mir auf, dass sie eine wunderschöne Stimme hat. Wie eine von diesen Sprecherinnen, die den Schauspielerinnen in ausländischen Filmen ihre Stimme leihen.
    »Hör zu:
    Unbemerkt von den Wachsoldaten gelangten sie zum Eingang der Höhle. Hinter den Felsen verborgen, sahen sie, wie Männer mit nackten Oberkörpern riesige Feuer in Gang hielten, indem sie Schwefel in die Flammen schaufelten. Andere Arbeiter zogen Karren mit dem kostbaren Rohstoff heran, den sie soeben aus den tiefsten Tiefen der Erde geholt hatten. Manchmal wurden die Sklaven von den sprühenden Funken verletzt.
    In unmittelbarer Nähe der Feuer, geschützt von den Schilden der Soldaten,hockten Männer und Frauen und schrieben eifrig auf Pergamente, die auf ihren Knien lagen.
    ›Sieh nur‹, sagte Hanna zu ihrem Pagen, ›das sind Schreiber.‹
    ›Wenn die Soldaten uns erwischen, machen sie uns zu Sklaven‹, sagte Sigfrido, der die Szenerie mit angstvoll aufgerissenen Augen beobachtete. ›Und dann kommen wir hier nie wieder raus!‹
    ›Wir müssen versuchen, in die Nähe eines Feuers zu gelangen‹, flüsterte Hanna. ›Es ist die einzige Möglichkeit, das unsichtbare Buch zu lesen.‹
    Und ohne eine Antwort abzuwarten, stieg sie im Schutze der Felsen ins Innere der Höhle hinab. Sigfrido blickte ihr entsetzt nach, schluckte ein paar Mal und folgte ihr schließlich.
    ›Auch ich will wissen, was in diesem seltsamen Buch steht‹, raunte er. ›Das lasse ich mir um nichts in der Welt entgehen.‹
    Wenige Minuten später stand Hanna vor einem der Feuer. Sie öffnete ihre Tasche, zog das unsichtbare Buch heraus und … «
    »Hör auf!«, zische ich Lucía zu. »Hör sofort auf zu lesen!«
    »Was hast du? Gefällt dir meine Stimme heute nicht?«
    »Mein Vater!«, flüstere ich. »Er sitzt da hinten in der Ecke!«
    Lucía bleibt vor Überraschung der Mund offen stehen. Sie bringt kein Wort heraus.
    »Wir müssen hier weg«, sage ich. »Er darf mich hier nicht sehen.«
    »Aber … was macht dein Vater denn hier?«, fragt sie und blickt sich vorsichtig um.
    »Schreiben, nehme ich an. Er hat die Angewohnheit, in Cafés zu schreiben … und wie ich jetzt sehe, auch in Burgerläden. Überall da, wo Menschen sind.«
    »Ich möchte ihn kennenlernen«, sagt Lucía plötzlich.
    »Was?«, frage ich überrascht.
    »Na ja, ich möchte mit ihm reden, ihm zuhören«, erklärt sie. »Er ist der erste Schriftsteller, den ich aus der Nähe sehe.«
    »Er ist nichts Besonderes«, entgegne ich. »Er ist wie alle anderen. Ganz normal eben. Lass uns von hier verschwinden, bevor …«
    Aber sie hört mir gar nicht mehr zu. Sie ist aufgestanden … und geht direkt auf den Tisch zu, an dem mein Vater sitzt!
    Heute ist wieder mal nicht mein Tag.
    Die verrückte Lucía ist vor dem Tisch stehen geblieben … redet mit Papa … gibt ihm die Hand.
    Um Himmels willen! Was passiert als Nächstes?
    Mein Vater schaut zu

Weitere Kostenlose Bücher