Das unvollendete Bildnis
erzogen worden – das ist aber auch die einzige Entschuldigung, die ich für sie habe.»
«Mr Crales Tod muss entsetzlich für sie gewesen sein.»
«Ja, aber es war voll und ganz ihre Schuld. Ich werde nie einen Mord entschuldigen, aber wenn je eine Frau dazu getrieben wurde, so war es Caroline Crale. Ich sage Ihnen ganz offen, dass es Momente gab, da ich am liebsten beide, ihn und das Mädchen, umgebracht hätte. Vor den Augen seiner Frau um das Mädchen zu scharwenzeln, die Unverschämtheiten des Mädchens zu dulden – und diese Elsa Greer war unverschämt, Monsieur Poirot. Amyas Crale hat sein Los verdient. Kein Mann darf eine Frau so behandeln, wie er es tat, ohne dafür bestraft zu werden. Sein Tod war die gerechte Strafe für sein Benehmen.»
«Sie sind sehr streng…»
Ihn durchdringend anblickend, erwiderte sie:
«Ich habe sehr strenge Ansichten über die Ehe. Wenn die Ehe nicht geachtet und geschützt wird, so verkommt ein Land. Mrs Crale war eine liebevolle und treue Frau. Ihr Mann beleidigte sie bewusst, indem er seine Mätresse ins Haus brachte. Wie ich schon sagte, hat er seine Strafe verdient. Er quälte sie über alle Maßen, und ich kann ihr das, was sie tat, nicht übel nehmen.»
«Ich gebe zu, dass er sich sehr schlecht benommen hat», sagte Poirot langsam, «aber Sie müssen bedenken, dass er ein großer Künstler war.»
Sie schnaubte wütend:
«O ja, das Lied kenne ich! Das gilt heutzutage als Entschuldigung für alles. Ein Künstler! Das ist die Entschuldigung für zügelloses Leben, für Trunkenheit, für Prahlerei, für Untreue. Und was für ein Künstler war Mr Crale schon? Es mag Mode sein, seine Bilder noch ein paar Jahre zu bewundern, aber das wird nicht dauern. Er konnte ja nicht einmal zeichnen! Er hatte keinen Sinn für Perspektive. Er hatte keine Ahnung von Anatomie. Ich weiß, wovon ich spreche, Monsieur Poirot. Als junges Mädchen habe ich eine Zeit lang in Florenz Malunterricht genommen, und einem Menschen, der die großen Meister kennt und schätzt, kommt diese Schmiererei von Mr Crale lächerlich vor. Ein paar Farben auf eine Leinwand klecksen… keine richtige Zeichnung… keine Komposition.»
Sie schüttelte den Kopf.
«Nein, Sie können von mir nicht verlangen, dass ich Mr Crales Kunst bewundere.»
Poirot begriff, dass Miss Williams in dieser Angelegenheit das letzte Wort gesprochen hatte, und ging von der Kunst auf ein anderes Thema über.
«Sie waren dabei, als Mrs Crale die Leiche fand, nicht wahr?»
«Ja. Nach dem Mittagessen gingen wir zusammen zur Schanze. Ich wollte zum Strand, da Angela dort ihren Pullover hatte liegen lassen – sie war immer sehr nachlässig. Ich trennte mich von Mrs Crale an der Pforte zur Schanze, aber ich hatte kaum ein paar Schritte gemacht, als sie mich zurückrief. Ich glaube, dass Mr Crale schon über eine Stunde tot war. Er lag ausgestreckt auf der Bank vor seiner Staffelei.»
«War sie sehr aufgeregt bei der Entdeckung?»
«Was wollen Sie damit sagen, Monsieur Poirot?»
«Ich möchte wissen, was für einen Eindruck Sie hatten.»
«Ach so. Ja, sie war wie betäubt. Sie schickte mich fort, um den Arzt anzurufen. Wir waren nicht ganz sicher, ob er tot war, es hätte ja auch ein Krampf sein können.»
«Sprach sie von einer solchen Möglichkeit?»
«Ich kann mich nicht erinnern.»
«Und Sie gingen zum Haus, um anzurufen?»
«Auf halbem Weg traf ich Mr Meredith Blake, an den ich den Auftrag weitergab, und kehrte zu Mrs Crale zurück. Ich fürchtete, sie wäre zusammengebrochen, und Männer sind in einem solchen Fall keine Hilfe.»
«War sie zusammengebrochen?»
«Mrs Crale hatte sich völlig in der Gewalt», antwortete sie trocken. «Sie benahm sich nicht wie Miss Greer, die eine hysterische und höchst peinliche Szene machte.»
«Was für eine Szene?»
«Sie versuchte, Mrs Crale anzugreifen.»
«Sind Sie der Ansicht, dass sie Mrs Crale für schuldig am Tod ihres Mannes hielt?»
Miss Williams überlegte einige Sekunden.
«Nein, das konnte sie kaum. Dieser schreckliche Verdacht war noch nicht aufgetaucht. Sie schrie nur: ‹Das ist Ihre Schuld, Caroline! Sie haben ihn umgebracht, es ist Ihre Schuld!› Sie schrie nicht ‹Sie haben ihn vergiftet!›, aber ich glaube, dass sie das meinte.»
«Und Mrs Crale?»
«Ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, was Mrs Crale in dem Moment empfand. Ob sie entsetzt war über ihre Tat…»
«Machte es den Eindruck?»
«N-nein, n-nein, das könnte ich nicht sagen. Betäubt, ja… und
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