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Das verbotene Eden 01 - David & Juna

Das verbotene Eden 01 - David & Juna

Titel: Das verbotene Eden 01 - David & Juna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Antlitz plastisch hervortreten. Seine Haut war hell, beinahe durchscheinend, seine Haare schwarz und strubbelig. Die buschigen Augenbrauen waren wie mit einem Lineal gezogen. Neben seinen markanten Wangenknochen und dem leicht vorspringenden Kinn war es vor allem seine Nase, die dem Gesicht einen besonderen Ausdruck verlieh. Sie war schmal und spitz, doch auf ihrem Rücken befand sich ein Höcker, als wäre sie einmal gebrochen gewesen. Sein Mund, der beim Anblick des Babys so herzhaft gelacht hatte, wirkte schmal und bekümmert.
    Ganz versunken in ihre Betrachtung, bemerkte sie gar nicht, dass sein Blick nicht mehr auf dem Buch, sondern stattdessen auf ihr ruhte. Sie schlug die Augen nieder und spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Ihre Wangen fühlten sich mit einem Mal heiß und fiebrig an.
    »Möchtest du noch mehr hören?«, fragte er sanft.
    »Nein.« Sie räusperte sich. »Ich denke, es ist genug für heute. Ich werde jetzt besser wieder auf meinen Posten gehen, sonst wird unser Gespräch noch von jemandem bemerkt.« Als sie sein enttäuschtes Gesicht sah, sagte sie: »Vielleicht morgen wieder.«
    Ehe sie aufstehen konnte, schoss seine Hand zwischen den Gitterstäben hindurch und packte sie am Handgelenk. Die Finger waren nicht mehr sanft, sondern warm und kräftig. Sie wollte aufspringen und ihren Dolch ziehen, als sie erkannte, dass es keineswegs Wut oder Verschlagenheit war, die David antrieb, sondern Angst. Nackte, kalte Angst.
    »Wann werden sie uns abholen?«, fragte er.
    »Vielleicht in ein paar Tagen«, sagte sie. »Vielleicht schon morgen. Der Zeitpunkt wird aus den Knochen gelesen.«
    »Was wird mit uns geschehen? Wird man uns foltern?«
    Juna war versucht, zu lügen, dann schüttelte sie den Kopf. »Auch das kann ich dir nicht sagen. Kriegerinnen dürfen bei den Befragungen nicht zugegen sein, das ist Aufgabe der Erinnyen. Sie verfügen über eine Vielzahl von Mitteln, um Gefangenen ein Geständnis zu entlocken. Ich kann dir nur einen Rat geben: Lüge sie nicht an. Sie merken es sofort, wenn jemand etwas verheimlicht. Und jetzt erzähl weiter. Erzähl mir von dir. Woher du kommst, was du getan hast und welche Kunde du über die Dunklen Jahre und den großen Zusammenbruch hast. Ich will alles wissen.«

30
    D er nächste Tag begann mit einer bösen Überraschung. Juna war gerade dabei, ihre Sachen zu packen, als Edana mit einigen Leibgardistinnen eintraf und die Gefangenen aus ihren Verschlägen holte. Sven und David leisteten keinen Widerstand, doch die Angst war ihnen anzusehen. Juna versuchte herauszufinden, warum der Hohe Rat zu solcher Eile drängte, doch Edana verweigerte jegliche Antwort. Es war jedoch auch so klar, was geschehen sollte. Sven und David wurden zum Verhör gebracht. Der letzte Blick, den David Juna zuwarf, war so voller Resignation, dass es einem das Herz brach. Doch was hätte sie tun können? Ihr waren die Hände gebunden. Ein falsches Wort, und der Konflikt zwischen Edana und ihr wäre sofort wieder aufgeflammt. So blieb ihr nicht anderes übrig, als tatenlos dazustehen und Edanas triumphierendes Grinsen zu ertragen.
    Nachdem die Gefangenen abtransportiert waren, ging Juna nach Hause, wusch sich, aß etwas und legte sich schlafen. Gwen war noch bei der Arbeit und würde nicht vor fünf Uhr heimkommen. Juna passte das gut. Ihr war ohnehin nicht nach Gesellschaft zumute. So viele Dinge gingen ihr im Kopf herum, dass sie es als tröstlich empfand, nicht reden zu müssen. Eine ganze Weile wälzte sie sich unruhig hin und her, dann fiel sie in einen bleiernen, traumlosen Schlaf.
    Als sie erwachte, war es früher Nachmittag. Federwolken zogen über den Himmel, und Lachen und Gesang drangen durch das Fenster zu ihr herein. Die Leute saßen im Freien, die Kinder spielten auf den Straßen, und die Wäsche flatterte im Wind.
    Juna konnte bei diesem Anblick keine Freude empfinden. Der Gedanke an das Schicksal von David und Sven belastete sie. Sie stellte ein paar Erkundigungen an, doch die brachten kein Ergebnis. Niemand hatte etwas gehört oder gesehen. Juna ging ins Hauptquartier und ließ sich erneut für die Nachtwache einteilen. Bis Dienstantritt waren es noch einige Stunden, also ging sie los, um die Patrouillen auf dem Wall zu verstärken. Sie musste etwas tun.
    Sie durchquerte den Bezirk der Weberinnen, ging an der alten Mühle und den Fischteichen vorbei und blieb kurz vor der Anhöhe stehen. Ihr war plötzlich etwas eingefallen.
    Rasch öffnete sie ihre Tasche und

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