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Das verbotene Eden 01 - David & Juna

Das verbotene Eden 01 - David & Juna

Titel: Das verbotene Eden 01 - David & Juna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Minuten die Beine vertreten muss.« Sie verstummte. Ihr fiel auf, dass sie mit dem Gefangenen wie mit einer Freundin sprach. Schon, dass sie hier mit ihm saß und redete, war ein Verstoß gegen das Gesetz. Doch auch sie hatte einige Fragen. »Was waren das für Worte, die du letzte Nacht gesprochen hast?«
    »Worte …?«
    »Du weißt schon, das mit den Kerzen, dem Rubin und der weißen Taube.« Mit leiser Stimme fügte sie hinzu: »Es klang sehr schön.«
    »Ach das.« Sie konnte seine Anspannung hören. Wie jemand, der ein Geheimnis zu verbergen suchte.
    »Nichts Besonderes. Nur Worte.«
    »
Deine
Worte?«
    »Meine?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, sie gehören einem Dichter, der schon lange tot ist.«
    »Wie ist sein Name?«
    »William Shakespeare.«
    Sie runzelte die Stirn. »Nie gehört.«
    »Du kennst Shakespeare nicht?« Seine Überraschung war nicht gespielt.
    »Ist das so schlimm?«
    »Er war einer der größten Dichter aller Zeiten. Er hat im England des 16 . Jahrhunderts gelebt und über dreißig Theaterstücke geschrieben. Jedes einzelne ist weltberühmt geworden.«
    »Und das da ist von ihm?« Juna deutete auf Davids Brusttasche.
    Er zuckte zusammen. »Wovon redest du?«
    »Lass die Spielchen, ich bin nicht blind. Den anderen mag es entgangen sein, aber mir nicht. Während du ohnmächtig warst, habe ich einen Blick daraufgeworfen. Es schien mir zu harmlos, um es dir wegzunehmen.«
    Stille.
    »Darf ich es sehen?«
    Es dauerte eine Weile, dann raschelte es, und eine Hand kam zwischen den Gitterstäben hindurch. Sie hielt ein in roten Stoff eingebundenes Buch, dessen Ecken leicht abgestoßen waren. Juna nahm es an sich und hielt es ins Licht.
    »Wie ist sein Titel?«
    »Romeo und Julia.«
    Sie drehte und wendete es; dann fing sie an, es durchzublättern. Der Text war für sie nicht zu entziffern, aber an manchen Stellen waren Bilder eingefügt. Farbige Stiche von Menschen, Gebäuden und Marktplätzen, alle wunderhübsch ausgearbeitet. Die Personen trugen seltsame Gewänder, die zwar altmodisch, aber dennoch interessant aussahen. Frauen in langärmeligen Blusen mit Spitzenbesatz und Rüschen, kunstvoll bestickte Kleider, zu denen sowohl Über- und Unterröcke als auch Haarbänder und Hauben gehörten. Die Männer sahen nicht minder eindrucksvoll aus. Sie trugen aufgeplusterte Hosen mit Kniestrümpfen, Schuhe mit auffälligen Schnallen und enganliegende Westen mit goldenen Knöpfen. Auf den Köpfen thronten Hüte mit Goldborte, und an den Gürteln hingen Säbel und Dolche. Insgesamt erinnerten sie Juna an Fasane, die mit ihrer prächtigen Erscheinung und ihrem Balzgehabe die Weibchen zu beeindrucken versuchten.
    »Haben die Leute damals wirklich so ausgesehen?«, fragte sie und deutete auf einen Mann mit mächtigem Backenbart. Sie hielt das Buch gegen das Licht, damit David erkennen konnte, was sie meinte.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte er. »Das Buch ist alt, gewiss, aber es ist sicher keine Originalausgabe. Shakespeare war Engländer, folglich muss es eine Übersetzung sein. Ich glaube aber, dass der Stil der Bilder beibehalten wurde und dass sie die damalige Mode ziemlich genau wiedergeben.«
    »Eigenartig«, sagte Juna, als sie auf das Gemälde einer jungen Frau stieß. Lächelnd hielt sie das Buch hoch.
    »Sieh mal, sie sieht fast so aus wie ich.«
    »Stimmt.« Davids Stimme wurde plötzlich leiser. »Das ist Julia.« Es war kaum mehr als ein Flüstern.
    Juna betrachtete das Bild noch eine Weile, dann gab sie David das Buch zurück. Eilig streckte er die Hände aus und nahm es in Empfang. Für einen kurzen Moment berührten sich ihre Finger. Juna empfand ein Gefühl von Wärme. Eigentlich hätte es sie mit Widerwillen und Abscheu erfüllen müssen. Wieso verspürte sie nicht den dringenden Wunsch, sich die Hände zu waschen und auf Abstand zu gehen? Eigenartig. Seine Finger waren warm und sanft gewesen. Sie verspürte ein leises Kribbeln, dort, wo er sie berührt hatte – wie von einer elektrischen Aufladung, wie man sie manchmal verursachte, wenn man mit einem Kamm über Wolle strich. Verunsichert hob sie ihr Kinn.
    »Lies mir etwas vor. Egal, was.«
    »Ich soll was?«
    »Mir vorlesen. Du kannst doch lesen, oder?«
    »Ja … ich …« Er verstummte. »Das Licht ist zu schlecht. Ich kann nichts erkennen.«
    »Hier, nimm meine Lampe.«
    »Möchtest du es denn nicht lieber selbst lesen?«
    Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Ich habe es nie gelernt.«
    »Oh.«
    Sie knabberte wütend auf

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