Das verbotene Eden 01 - David & Juna
wurde oben auf dem Wall erwartet. Höchste Zeit aufzubrechen.
Juna klappte das Buch zu, steckte es wieder ein und machte sich auf den Weg.
Nachdem sie ihren Dienst auf dem Wall abgeleistet hatte, kehrte sie zu den Käfigen zurück. Es war kurz nach acht. Rhona, eine zierliche Frau mit kurzen blonden Haaren, hielt Wache. Bei Junas Anblick stand sie auf und packte ihre Sachen zusammen.
»Ein Glück, dass du endlich kommst«, sagte sie. »Ich habe ja schon manchen langweiligen Tag erlebt, aber noch nie einen wie diesen. Leere Käfige bewachen, wie dämlich ist das denn?«
Juna blickte erschrocken nach oben. »Die Gefangenen sind noch nicht wieder zurück?«
Rhona deutete auf die leeren Verschläge. »Siehst du hier irgendjemanden? Ein paar Ratten, ein paar Krähen, sonst nichts. Genauso gut hätte ich heute einen freien Tag genießen und mich auf die Wiese legen können, aber mit Rhona kann man’s ja machen. Na, sei’s drum, ich mach mich jetzt vom Acker. Viel Spaß noch.« Sie pfefferte ihre Trinkflasche in den Rucksack, schnürte ihn zu und nahm ihren Speer. »Ich wünsche dir eine ruhige Nacht. Oder lieber nicht. Wenn ich mir vorstelle, wie zur Langeweile auch noch die Dunkelheit kommt … ich würde wahrscheinlich sofort einschlafen. Und du weißt ja, was dir blüht, wenn du beim Schlafen erwischt wirst. Also, mach’s gut, wir sehen uns.« Mit diesen Worten marschierte Rhona davon.
Besorgt betrat Juna das Wachhäuschen. Mit ein paar Handgriffen räumte sie den Inhalt ihres Proviantbeutels auf den Tisch, prüfte ihre Waffen und stellte sie griffbereit neben die Tür. Draußen fing es bereits an, dunkel zu werden. Wo blieben nur die Gefangenen? Sie füllte Öl in die Lampe und entzündete den Docht. Das Licht schimmerte heimelig und tauchte die Hütte in warmes Licht. Juna wollte sich gerade zum Essen niedersetzen, als sie aus der Ferne Geräusche hörte. Das Knirschen von Kies, Schritte, vereinzelte Stimmen. Sie trat aus der Hütte und sah, wie sich ein Lastkarren näherte. Zwei Maultiere waren davorgespannt, und etliche Gardistinnen begleiteten ihn. Sie sah Edana. Ihr Gesicht wirkte ernst.
Mit bangem Gefühl eilte Juna dem Trupp entgegen. Die Gefangenen lagen auf dem Karren. Sie waren bei Bewusstsein, aber ihre Augen starrten ausdruckslos in den Himmel.
»Da hast du deine Schutzbefohlenen wieder«, sagte Edana. »Lass sie in ihre Zellen bringen und gib ihnen etwas zu essen.«
»Was ist geschehen?«
»Was geschehen ist? Nichts ist geschehen. Wir haben versucht, Informationen aus ihnen herauszubekommen, aber genauso gut hätten wir mit einem Stein sprechen können. Kann sein, dass der Junge tatsächlich nichts weiß, der Alte hingegen ist einfach nur störrisch.«
»Was habt ihr mit ihnen gemacht?« Selbst bei diesen schlechten Lichtverhältnissen konnte Juna die blauen Flecken und Blutergüsse erkennen.
Edana zuckte die Schultern. »Das übliche Verfahren. Wahrheitsdrogen, Entzug von Wasser und Nahrung, Dunkelheit.«
Juna bezweifelte, dass das alles gewesen war. Die Verletzungen sprachen eine andere Sprache.
»Und was habt ihr jetzt vor?«
Edana verzog den Mund. »Wir werden die Verhöre natürlich fortsetzen, allerdings mit anderen Mitteln. Die Erinnyen sind sehr erfinderisch. Finger, Arme und Beine, Augen. Die beiden werden vermutlich bleibende Schäden davontragen, aber so genau will ich es gar nicht wissen. Mich interessieren nur die Ergebnisse.«
»Ist das wirklich nötig?«, Juna spürte, wie die Wut in ihr aufflammte. »Muss das sein, dass die Befragungen gleich mit solcher Härte geführt werden? Ich dachte, der Rat hat entschieden, erst mal sanft vorzugehen.«
Edanas Blick bekam etwas Bohrendes. »Natürlich ist es nötig, was soll die Frage? Ohne die Informationen kommen wir nicht in die Raffinerie. Du warst doch bei der Ratsversammlung dabei.«
Juna verstummte. Es hatte keinen Sinn, mit Edana zu diskutieren. Besser, sie tat so, als würde sie einknicken. »Bitte verzeiht meine Neugier«, sagte sie. »Ihr habt natürlich recht.«
»Man könnte fast den Eindruck bekommen, du würdest mit diesem Pack sympathisieren«, sagte Edana. »Bist du sicher, dass du dich deiner Aufgabe mit der nötigen Hingabe widmen wirst?«
Juna senkte unterwürfig den Kopf. »Ja. Es ist nur so, dass ich heute wenig Schlaf gefunden habe. Die Müdigkeit …«
»Müdigkeit?« Edana sah sie scharf an. »Das ist das Letzte, was eine Wache auf Nachtschicht brauchen kann. Ich denke, es ist am besten, wenn ich
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