Das verbotene Eden 01 - David & Juna
Stadt zu finden war. Zwischen ihm und dem Kloster lagen Dutzende Kilometer wildes, unerforschtes Grenzland.
David hatte genug gesehen. Er zog den Kopf wieder ein und robbte vorsichtig in den Stollen zurück. Der Morgen war noch kühl. Feuchte Luft kroch durch den Eingang herein und ließ ihn frösteln. Er trank einen Schluck und verzog sich dann zurück unter seine Decke. Nachdem er festgestellt hatte, dass ihm keine unmittelbare Gefahr drohte, konnte er ruhig noch mal die Augen schließen.
Er war schon halb eingeschlafen, als ein Geräusch an seine Ohren drang. Ein Rascheln, irgendwo außerhalb der Höhle. Zuerst leise und flüchtig, dann immer intensiver. Noch einmal hörte er es, und dann wieder. Jedes Mal schien es ein wenig lauter zu werden. Kein Zweifel: irgendetwas war da draußen. Etwas, das scharrte und schnüffelte. Eine Katze vielleicht oder ein Eichhörnchen? Nein, dafür war es definitiv zu laut. Vielleicht ein Hund.
An Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Wie sollte er sich verhalten? Nach vorne kriechen und nachsehen, wer da war? Zu riskant. Am besten, er machte sich unsichtbar.
Rasch bedeckte er seinen Proviant mit Stroh, dann stemmte er die Beine in den Boden und rutschte nach hinten. Als er die Rückwand des Stollens erreichte, rieselte Erde von der Decke herab in seinen Kragen. Nur mit Mühe konnte er ein Niesen unterdrücken. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
In diesem Moment schob sich ein dunkler Schatten vor den Höhleneingang. Er wirkte riesig. Unter Schnuppern und leisem Knurren zeichnete sich der Umriss einer Kreatur vor dem hellen Hintergrund ab. Ein Mensch war das nicht, so viel stand fest. Aber was dann?
Als das Wesen auf ihn zukam, schien es zu schrumpfen. War das ein Wolf? Nein, viel zu klein für einen Wolf. An seiner Bewegung war etwas, das David bekannt vorkam.
Es humpelte.
David hielt den Atem an. Schlagartig wurde ihm klar, was das war. Seine Panik verwandelte sich in Freude. Es gab nur ein einziges Wesen auf dieser Welt, das sich in dieser Weise fortbewegte. Als er das Winseln hörte und die feuchte Zunge auf seinem Handrücken fühlte, schossen ihm die Tränen in die Augen. »Grimaldi«, flüsterte er. »Mein guter alter Grimaldi.«
*
Juna zog beim Eintritt in den großen Tempel unwillkürlich den Kopf ein. Die drei Göttinnen blickten heute strenger als sonst. Mit durchdringenden Augen starrten sie auf Juna herunter, so wie man auf ein unbedeutendes Insekt hinabschaut, das man mit den Füßen zertreten könnte. Vielleicht lag es am Licht, vielleicht aber auch an dem beißenden Räucherwerk, das ihre Sinne verwirrte – aber die Göttinnen wirkten heute geradezu feindselig.
Sie folgte ihrer Mutter durch die gewundenen Stollen, immer tiefer in das heiße Herz des Berges. Der Gestank nach Schwefel stach ihr in die Nase und betäubte ihre Sinne. Sie merkte, dass sie anfing zu schwitzen. Täuschte sie sich, oder war es hier unten heißer als beim letzten Mal? Als sie die Stollen verließen und die kühleren Abschnitte in der Flanke des Vulkans betraten, atmete sie erleichtert auf. Noch nie hatte sie den Besuch bei ihrer Mutter als so bedrohlich empfunden. Sie hätte viel darum gegeben zu erfahren, was die Hohepriesterin von ihr wollte, aber Arkana sprach kein Wort. Seit sie Gwens Haus verlassen hatte, hüllte sie sich in Schweigen.
Nach einer Weile gelangten sie in die Privatgemächer. Zoe deutete eine Verbeugung an. »Darf ich Euch noch etwas bringen, verehrte Mutter?«
»Nein danke. Geh wieder nach oben und achte darauf, dass niemand hereinkommt. Wir wollen die nächste Stunde ungestört sein.«
»Wie Ihr befehlt.«
Die Dienerin warf Juna einen strengen Blick zu, dann verschwand sie in den Tiefen des Berges. Arkana holte ihren Schlüssel heraus, steckte ihn ins Schloss und öffnete die Tür. Goldenes Morgenlicht flutete durch den Raum. Hinter dem Fenster auf der gegenüberliegenden Seite konnte man den See erahnen. Nebelschleier lagen über dem Wasser.
»Tritt ein. Wir haben viel zu bereden.«
Juna ging ein paar Schritte, dann drehte sie sich um. Arkana verriegelte sorgfältig die Tür und steckte den Schlüssel wieder ein.
»Nun, was gibt es, Mutter? Ich habe nicht viel Zeit. Es wäre schön, wenn du direkt zur Sache kommen könntest.«
»Entspann dich und setz dich erst einmal. Zoe hat einen Hibiskustee gemacht. Möchtest du eine Tasse?«
Juna wollte erst ablehnen, besann sich dann aber eines Besseren. »Na gut«, lenkte sie ein. »Für eine Tasse Tee wird
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