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Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kurz
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wird geteilt.»
    Wir seufzten weiter, es lief ganz gut.
    Als ich später auf dem Klo hockte, merkte ich, dass Müller aufhörte zu seufzen.
    «He», rief ich durch die geschlossene Tür, «seufze weiter, denn das ist abgemacht!»
    Doch Müller seufzte nicht mehr, und mein Puls schoss nach oben.
    Ich kam raus, sah, das Fenster war leer, der Müller weg. Musste was Tolles vom Leben erwischt haben, als ich auf dem Klo hockte. Jetzt türmte er mit der Beute, und ich konnte hier alleine seufzen.
    «Schweinepriester!», rief ich zum Fenster hinaus, und es schallte zurück aus dem Meer der Dächer. Da trottete der Müller aus der Küche, einen Teller Obst in der Hand.
    «Was ist los?», fragte er.
    «Nix», sagte ich, «lass uns endlich weiterseufzen!»
    Bis zum Abend haben wir dann noch hinausgeseufzt. Keine Kleinigkeit so was, sag ich euch, aber viel haben wir trotzdem nicht erwischt vom Leben.

Tiefe Gefühle
     
    Natürlich habe auch ich Gefühle, logisch, wer will daran zweifeln, hat doch jeder. Ich meine, geht’s noch, also wer fragt denn so was? Kaminski sah mich an. Er wollte jetzt wohl den Philosophen spielen, den Weltversteher, ausgerechnet dieser alte Quatschkopf! Aber bitte, soll er mal, nur zu. Meine Gefühle, klar, sprechen wir drüber. Wo ich die habe? Was ist denn das für eine dämliche Frage? Wo sollen die schon sein? Die sind in mir drin, wie in einem Gefäß, alles Mögliche ist da drin, auch Gefühle, für dich, für mich, für trallala ...
    Damit war er natürlich nicht zufrieden.
    «Mann, Kaminski, du nervst ... Okay, schau her, ich beweise dir jetzt exklusiv, dass ich Gefühle habe.»
    Ich stach mir mit der Gabel, die noch vom Essen auf dem Tisch lag, in den Handrücken, sagte «Aua!», lehnte mich zurück und schaute ihn an.
    «Na, habe ich jetzt Gefühle oder nicht? Von der Gabel in die Haut und – zack – in mich hinein.»
    Gefühle.
    Da guckt er natürlich blöd, sagt: «Hab ich nicht gemeint.»
    «Klar», sag ich. «jetzt gilt’s natürlich nicht, nur weil ich mal recht hätte.»
    «Das sind Schmerzen», sagte er, «keine Gefühle. Nur Schmerzen. Gefühle, die hat man für jemanden. Die haben ein Ziel. Gefühle sind etwas Wunderbares. Sich eine Gabel in die Hand rammen, ist nichts Wunderbares.»
    «Aber es ist verdammt mutig!», schrie ich. «Weil es weh tut. Weil man es erst einmal aushalten können muss.»
    «Nein, nein, es ist dumm.»
    Sonja unterbrach uns. Sie kam an unseren Tisch und fragte: «Na, alles klar, Jungs?»
    «Logisch», sagte ich.
    «Was hast du denn da?», fragte sie und deutete auf meine blutende Hand.
    «Gefühle», sagte ich stolz.
    Kaminski lachte auf, als hätte ihm einer einen Tritt verpasst.
    «Gefühle?», fragte sie. «Etwa für mich?» Sie lächelte ganz entzückend.
    Ich zuckte mit den Schultern, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, und sie ging.
    «War 'ne Chance», grinste Kaminski. «Hast sie verpasst.»
    «Kümmer dich um deinen Scheiß», fuhr ich ihn an.
    Ja, ich weiß selbst sehr gut, dass ich noch verdammt hart an mir arbeiten muss, wegen der Gefühle und all dem anderen, was so erwartet wird. Mein Leistungsverzeichnis ist noch ausbaufähig, keine Frage. Unbemerkt bohrte ich die Gabel unter dem Tisch in meinen Oberschenkel. Eines Tages werde auch ich sie spüren können, Gefühle, wisst ihr, diese Gefühle, von denen jetzt alle reden.

Küss mich in der Werbepause
     
    Laura war anders als die Mädchen, die ich früher gekannt hatte. Laura war nämlich wunderschön. Auch die anderen sahen nicht schlecht aus, nein, sie waren durchaus hübsch, süß, nett, das schon, aber Laura war von jenem Kaliber, das einem Mann wie mir augenblicklich die Fähigkeit raubt, zusammenhängende Sätze zu sprechen. Oder den Straßenverkehr zu beachten. Laura hatte langes schwarzes Haar und einen Körper, von dem ich mir wünschte, ich dürfte ihn einmal in Ruhe ein ganzes Wochenende lang anknabbern.
    Kennengelernt hatte ich Laura im Büro. Wir waren ein moderner Laden, Software, da war Duzen Pflicht. Und locker musstest du sein. Wenn du nicht locker warst, passtest du nicht ins Team. Also waren alle verdammt locker. Bis Laura auftauchte und mit ihrem Fahrgestell die Flure brennen ließ. Sie begann als Marketingassistentin, und ich weiß bis heute nicht, ob sie irgendetwas konnte. Vielleicht hatte sie ja Talent. Vielleicht machte sie ihre Sache richtig gut. Ich habe es nie mitbekommen.
    Kam ich ihr näher als fünf Schritte, wurden meine eingeübten Reflexe gelöscht.

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