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Das Verdammte Glueck

Das Verdammte Glueck

Titel: Das Verdammte Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kurz
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Männerkanal einschalten – kostet natürlich was, Pay-TV.
    Na, ich bin ja nicht schwul. Fernsehen nur mit Frauen hat was, vor allem, wenn sie hübsch sind: Detektivinnen jagen Räuberinnen, Reporterinnen fragen Politikerinnen. Und wenn sie große Dramen erzählen, wie sich Frauen in Frauen verlieben und verzweifeln, weil die Frauen, in die sie sich verlieben, andere Frauen lieben.
    Eine Woche später schalte ich wieder ein. Sitzt ein Kind im Studio, kann kaum den Zettel halten und versucht, die Nachrichten zu entziffern. Na toll, denke ich, jetzt hat sich die Rechte an den Frauen ein anderer Mogul gesichert.
    Es kommt natürlich, wie es kommen muss: Schon im nächsten Monat gibt es auch keine Kinder mehr im Fernsehen. Die Studios leer, Filme ohne Darsteller, führerlose Autos rollen an entvölkerten Häusern vorbei, und Züge krachen in die Bahnhöfe, weil kein Mensch mehr da ist, der sie noch stoppen kann.
    Wer will so was sehen? Ich jedenfalls nicht. Ich nehme also meine Jacke, schlurfe runter in die Kneipe, will ein Bier, aber es gibt keins mehr. Was, wie?, frage ich, und Kurt hinter der Bar sagt, die Rechte am Bierausschank habe ein japanischer Konzern gekauft. Er habe keine Lizenz mehr, zu teuer, sorry. Ich könnte 'ne Apfelschorle haben. Apfelschorle mag ich nicht. Also renne ich raus.
    Kein Auto fährt mehr, alles steht still. Aha, die Lizenz zum Betreiben dieser Dinger wurde also auch verkauft! Na ja, ist ruhiger, auch nicht schlecht. Drüben in der Kneipe fehlen die Stühle, und die Gäste schlürfen die Getränke aus der hohlen Hand.
    Gerda ist da und sagt: «Weißt du's schon? Die Rechte an Stühlen und Gläsern hat jetzt ein Russe. Ein Russe, Mensch, stell dir vor!»
    Ich entgegne: «Na sauber», dabei sind überall Pfützen auf dem Boden, und alle haben klebrige Hände. Später müssen wir unsere Kleider ausziehen – einem Hongkong-Chinesen gelang es, die Weltrechte fürs Tragen von Kleidern zu erwerben.
    Blöd für uns. Deutschland hat nicht mal mitgeboten, und jetzt sitzen wir nackt da, ziemlich peinlich. Ich schnappe mir einen Umzugskarton und setze mich zu Manfred und den Mädels. Die tragen alle Plastiktüten von Aldi, körpernah, ganz sexy, kann man nicht meckern.
    Manfred meint: «Krieg jetzt bloß keine Erektion!»
    Ich denke, er ist eifersüchtig. Dabei hat das Recht auf einen Steifen ein Holländer erworben, und jeder, der einen hochkriegt, muss ihm was zahlen.
    Jetzt spare ich, um wieder heimzukommen, denn jeder Schritt kostet. Auch Zwinkern wird immer teurer, und selbst dumme Bemerkungen werde ich mir bald nicht mehr leisten können.

Erdbeerjoghurt
     
    Kollege Winsbeck mümmelte wieder seinen Erdbeerjoghurt. Sein Mund klappte auf und zu wie bei einem Karpfen. Er schien den Joghurt vom Löffel zu saugen, blähte die Backen und kaute ihn. Seine Zunge schob die kleinen Erdbeerstückchen zwischen die Zähne, als wäre das eine ganz besondere Kunst. Wenn das Telefon läutete, ließ er den Löffel im Mund stecken, raunzte seinen Namen unverständlich in den Hörer und rührte mit dem Löffel den Mund um, während er zuhörte. Winsbeck ist A bis K, ich mache L bis Z. Wir haben mehr Kunden L bis Z als A bis K. Das ist merkwürdig, aber es ist so. Da bin ich natürlich der Dumme. Mein Telefon läutete also öfter, und Winsbeck hatte mehr Zeit für seinen Erdbeerjoghurt. Ich aß nur selten Joghurt, und wenn, dann Bananengeschmack oder Vanille. Einmal schrieb ich für ‹Wandelmüller und Co.› einen Auftrag raus und schrieb statt Erdarbeiten Erdbeerjoghurt. Da war natürlich Gelächter in der Firma.
    Irgendwann hab ich dann mal Winsbecks Vorrat an Erdbeerjoghurt versteckt, aus dem Kühlschrank in der Teeküche rausgeholt und hinter der Yucca-Palme am Fenster endgelagert. Als er die Becher zufällig wiederfand, war der Joghurt in der Hitze verdorben, die Plastikpackungen aufgedunsen wie tote Kühe in der Sonne. Winsbeck war wahnsinnig sauer. Er meinte, wer das getan hat, ist ein Schwein, ein Charakterschwein, der das Eigentum der anderen nicht achtet. Ich sagte: «Es war halt ein Spaßvogel.» Aber er schwadronierte herum, es sei ein Dieb, eine dumme Sau, ein Verbrecher gewesen. So einer stiehlt sicher auch Teile aus dem Lager. Da verschwindet schließlich auch so viel. Man müsste nur die Fingerabdrücke von den Joghurtbechern nehmen, dann würden sie’s wissen. Doch das wollten die da oben ja nicht, weil man Mitleid haben musste mit den armen Verbrechern, die ja eine schwere Kindheit hatten und

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