Das verflixte 4. Schuljahr
Probenblatt nass, weil sie nicht weiterkommen. Höher, schneller, weiter. Dabei sein ist längst nicht mehr alles.
Was den einen antreibt, löst bei vielen Kindern Versagensängste aus. Bereits in der 3. Klasse zeigen viele Grundschülerinnen und Grundschüler Verhaltensauffälligkeiten, denn schließlich geht es in diesem Alter darum, ob sie zukünftig auf die Hauptschule müssen oder die Realschule oder eben am liebsten das Gymnasium besuchen dürfen .
Aber nicht nur die Kinder zittern dieser Entscheidung entgegen. Auch für die Eltern ist die 3. und 4. Klasse eine enorm beunruhigende Zeit. So fiebern auch sie der Vergabe der Zwischenzeugnisse entgegen, die über die Zukunftschancen ihres Kindes entscheiden können. Und so meinen sie es nur gut mit ihren Sprösslingen, wenn sie sie bereits mit acht, neun Jahren zur Nachhilfe schicken oder Prüfungsaufgaben der vergangenen Jahre mit ihnen durchpauken, in der Hoffnung, die eine oder andere Aufgabe würde erneut gestellt. Und sollte einmal trotz dieses Powertrainings nicht mehr als eine Drei herauskommen, geben sie ihnen den Ratschlag mit auf den Weg: »Da müssen wir wohl noch ein bisschen mehr üben!«
Eltern fühlen sich in dieser Zeit wie in einer Zwickmühle. Einerseits wollen sie ihr Kind weitestgehend unterstützen und fördern, aber eben auch nicht überfordern. All dies erzeugt in den Kindern und innerhalb der Familie ungeheuren Druck, der nicht nur in die erwähnte Versagensangst mündet, sondern auch zu regelrechten Zusammenbrüchen führt.
Aber nicht nur die Eltern üben – gewollt oder ungewollt – Druck auf ihre Kinder aus, auch ihre Lehrer, Mitschülerinnen und Mitschüler tun dies. So werden Klassenkameradinnen und Klassenkameraden, die schlechte Noten schreiben, zum Beispiel seltener auf Geburtstagspartys eingeladen als gute Schülerinnen und Schüler.
Wie können Sie als Eltern auf diese ungeheure Belastung reagieren, der Ihr Kind, aber auch Ihre ganze Familie ausgesetzt ist? Was können Sie tun, damit Ihr Kind keine Angst vor dem »Monster« Übertritt entwickelt? Wie bauen Sie Ihr Kind auf, wenn es mit schlechten Noten nach Hause kommt? Wie bereiten Sie sich und Ihr Kind auf möglichen Probeunterricht und Prüfungsaufgaben vor?
Sie als Eltern haben es in der Hand, aus der Grundschulzeit wieder eine schöne Zeit für Ihr Kind und die ganze Familie zu machen. Der vorliegende Ratgeber zeigt Ihnen, wie es geht. Ergänzt werden die Informationen durch Tipps und Hinweise, was Sie als Eltern konkret zur schulischen Situation Ihres Kindes beitragen können.
Martin Kohn
Frankfurt am Main, im Frühjahr 2012
Einführung
» … sondern für die Noten lernen wir«
Der Ernst des Lebens beginnt also für die meisten Kinder bereits in der Grundschule. Kinder sind spätestens in der 3. Klasse gestresst und gehen nur noch äußerst ungern und zum Teil mit Magenschmerzen in die Schule, nachdem sie dem Start ihrer Schulzeit noch mit Freude entgegengesehen hatten. Warum ist das so?
»Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir«, pflegte meine Mutter oft zu sagen, wenn mir mal wieder überhaupt nicht einleuchtete, warum ich diese oder jene Hausaufgabe zu erledigen hatte. Ja, Lust aufs Lernen hatte damals auch ich nicht immer. Und noch weniger Verständnis, warum ich Dreiecke in verschiedenen Größen auf das Blatt malen sollte, wenn mir doch viel mehr der Sinn nach einem Fabelwesen gestanden hätte. He-Man und sein Widersacher Skeletor hatten es mir nun mal mehr angetan als irgendein Grieche, der vor zigtausend Jahren geometrische Figuren in den Sand gezeichnet hat.
Unterricht war also auch früher nicht immer deckungsgleich mit dem, was Kindern Spaß macht. Dennoch bin ich gerne in die Schule gegangen. In den Kindergarten nicht so gern, aber in die Grundschule. Und später dann aufs Gymnasium. Blicke ich heute auf diese Zeit zurück, kann ich mich noch sehr gut an dieses Gefühl der absoluten Unbeschwertheit erinnern. Sicher, auch ich wollte weiterkommen und musste – je älter ich wurde – selbstverständlich auch für Klassenarbeiten mehr und mehr büffeln. Lerntheoretisch ist das auch völlig in Ordnung. Wir müssen nun mal lernen, wie wir lernen. Wem stets alles zufliegt, der wird Schwierigkeiten haben, neue Situationen oder ernste Herausforderungen zu meistern.
Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernten wir. Heute lässt sich dieser Satz vielerorts umdrehen. Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir. Und
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