Das verfluchte Koenigreich
kommen würde. Ich bin einfach zu jung, Rathina.«
»Zu jung? Hast du vergessen, dass du schon einmal verlobt warst … mit einem … einem anderen?«, stieß Rathina hervor – den Namen Gabriel Drake brachte sie nicht über die Lippen. »Wärst du damals nicht in der Welt der Sterblichen verschwunden, so hättest du dich an deinem sechzehnten Geburtstag vermählt.«
»Das war doch nicht ich«, protestierte Tania. »Na ja, irgendwie schon – aber nicht die Person, die ich jetzt bin. Ich habe keine Erinnerung an die Tania, die bereit war, Gabriel Drake zu heiraten. Ich weiß so gut wie nichts von ihr.« Sie fasste sich verzweifelt an die Stirn. »Verstehst du nicht – ein Teil von mir ist immer noch Anita, das Mädchen aus Westlondon. Dort, wo ich aufgewachsen bin, heiratet man nicht so jung.«
»Lieben Sterbliche nicht, solange sie jung sind?«, fragte Rathina.
Tania musste lachen. »Doch, natürlich«, sagte sie. »Teenager in meinem Alter verknallen sich pausenlos. Und wenn alle ihren ersten Flirt sofort heiraten würden, wäre die Scheidungsrate noch viel höher als jetzt.«
»Tania! Was sind das für Worte, die aus deinem Mund kommen? Rede so mit mir, dass ich dich verstehe.«
»Ich wollte sagen, wenn alle jungen Leute sofort den Erstbesten heiraten würden, in den sie sich verlieben, dann würden die meisten Ehen nicht lange halten«, erklärte Tania. »Gibt es das denn nicht im Elfenreich, dass die Liebe irgendwann vorbei ist?«
Rathina sah sie durchdringend an. »Nein, niemals.«
»Du machst Witze.«
»Ich spreche die Wahrheit, Schwester.«
»Wow! Wahnsinn.« Tania starrte ihre Schwester an und plötzlich schoss ihr ein grässlicher Gedanke durch den Kopf. »Aber das würde ja bedeuten …« Im letzten Moment hielt sie inne. Es war einfach zu schrecklich, um es laut auszusprechen, ja, auch nur zu denken. Wenn die Liebe im Elfenreich immer und ewig währte, bedeutete das, dass Rathina weiterhin in Gabriel Drake verliebt war.
Trotz allem Unheil, das er über das Elfenreich gebracht hatte, trotz der Tatsache, dass sie sein Leben mit dem Schwert ausgelöscht hatte.
»Die Liebe stirbt niemals im Elfenreich, Tania«, sagte Rathina leise. »Nie und nimmer.«
»Oh, Rathina …« Tania konnte den Gedanken nicht ertragen, dass ihre Schwester durch ihre Liebe für immer an Drake gebunden war. »Du wirst dich neu verlieben, Rathina. Ganz bestimmt.«
Rathina legte einen Finger auf Tanias Lippen. »Schweig jetzt.« Dann wandte sie sich ab, um ihr Gesicht zu verbergen, aber die bebende Stimme verriet ihre Verzweiflung. »Lass uns nicht weiter darüber sprechen.«
Sie blickten auf das Leiderdale-Tal mit seinen dicht gedrängten Zelten und Pavillons. Es lag eine melancholische Stille über dem Tal.
»Sieh nur«, sagte Rathina. »Dort unten liegt schon Leiderdale. Wir wollen unseren Eltern im königlichen Pavillon unsere Aufwartung machen. Vielleicht gibt es Neuigkeiten. Ja, vielleicht hat der König schon einen Weg gefunden, den bösen Fluch der Hexe von Lyonesse abzuwenden.«
Der königliche Pavillon war von elfenbeinfarbenem Licht durchflutet – doch es war kein Sonnenlicht, da die aufgehende Sonne immer noch hinter den westlichen Hügeln verborgen lag. Die Wände des großen Zelts waren mit kunstvollen Wandteppichen geschmückt, die einige der schönsten Elfenlandschaften zeigten: hohe Berge, tosende Wasserfälle, reißende Flüsse und sanfte Hänge, blühende Wiesen, Wälder und Heidehügel. Diese heiteren Szenen wollten gar nicht so recht zu der düsteren Versammlung passen.
Auf dem Boden waren Sitzkissen ausgelegt und am anderen Ende des Pavillons, gegenüber dem Eingang, standen drei niedrige Holzstühle. Auf den ersten beiden saßen König Oberon und Königin Titania, auf dem dritten Graf Valentyne von Mynwy Clun, der einen schmalen Kristallstab in der Hand hielt. Prinzessin Eden stand an seiner Seite. Daneben saßen der Bruder des Königs, Herzog Cornelius, und seine Gemahlin, die Marquise Lucina, mit ihren beiden Söhnen.
Tanias Schwestern waren vollzählig versammelt: Hopie und ihr Mann, der große, bärtige Lord Brython; die gelehrte Sancha; Cordelia mit ihrem Gemahl und natürlich Rathina, die neben Tania saß.
»Wir bringen gute wie auch schlechte Kunde«, begann Oberon. »Der Graf und ich verbrachten eine gefahrvolle Nacht in den hohen Bergen – und konnten dennoch keine Spur der Hexereien von Lyonesse entdecken.«
»So ist es nicht Lyonesse?«, fragte Sancha. Sie blickte ängstlich in
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