Das verfluchte Koenigreich
Leiderdale zu Cordelias Hochzeitsfeier gebracht.
Aber irgendwie sah auch das Schiff anders aus, als sie es in Erinnerung hatte. Es war strahlend weiß, als sei es gerade erst vom Stapel gelassen worden, als blähten sich die Segel zum ersten Mal im Wind.
Die Galeone bewegte sich so schnell, als würde sie von Sturmwinden getrieben. Mit majestätischer Anmut glitt sie in die Bucht und steuerte auf den Kai zu. Dabei fiel ein silberner Schatten auf die emporgereckten Gesichter der Leute, die das Ufer säumten.
Seltsamerweise war nichts von der Mannschaft zu sehen. Niemand stand an Deck – es gab weder einen Steuermann am Ruder noch Seeleute in der Takelage. Wie von Geisterhand gesteuert, legte die Wolkenseglerin mit einem leichten Ruck am Kai an und kurz darauf rasselte eine lange Gangway herunter.
Ein Mann erschien oben auf dem Schiffsdeck.
»Oh … mein Gott«, stieß Tania hervor und hob die Hand vor den Mund. Ungläubig starrte sie die Gestalt an, die ihr zugleich fremd und vertraut vorkam.
Es war König Oberon – wenn auch nicht der Mann, den Tania kannte. Dieser Oberon war ein schlaksiger, bartloser Junge, dessen goldenes Haar ihm über die Schultern hing. Er trug die Krone des Elfenreichs auf dem Kopf, einen schlichten weißen Kristallreif mit schwarzen Bernsteinen.
Mein Vater , dachte Tania. Lange, bevor ich geboren wurde. Jetzt begreife ich! Was ich hier sehe, hat sich vor vielen Tausend Jahren abgespielt.
Als der junge Oberon die Gangway herunterkam, fielen alle Anwesenden auf die Knie, nur einer nicht. Tania beobachtete diesen Mann, der jetzt vortrat, um den König zu begrüßen. Auch er wirkte irgendwie vertraut. Er war groß und breitschultrig. Aus einem schmalen Gesicht mit eingesunkenen Wangen blickten kluge dunkle Augen, die Haare waren bereits ergraut.
Es war Graf Valentyne – selbst damals, vor so langer Zeit, war er schon alt gewesen.
»Euer Volk heißt Euch willkommen, Sire«, sagte Valentyne und neigte den Kopf, als der König auf den Steg trat. »Alles ist für Eure Ankunft bereit. Die Halle des Lichts wartet auf den Tag der Krönung!«
Ohne Ankündigung wurde Tania erneut von einem Wirbelsturm erfasst und im nächsten Moment fand sie sich im königlichen Pavillon wieder und blickte benommen um sich, wie jemand, der aus tiefstem Schlaf erwacht. Vor ihr saß der König und es war ein seltsames Gefühl, ihn zu sehen, nachdem sie ihn gerade erst als Jugendlichen beobachtet hatte.
»Wow!«, hauchte sie. »Was war das denn?«
»Du hast soeben die Morgendämmerung des Immerwährenden Elfenreichs erlebt«, erklärte Eden.
Tania blinzelte sie an. »Ich verstehe das alles immer noch nicht …«
»Niemand erinnert sich an die Zeit vor der Großen Erweckung«, sagte der König. »Niemand weiß, was war, ehe ich mit dem weißen Schiff zum Fortrenn Quay kam.«
»Nicht einmal du selbst?«, fragte Tania.
»Nein«, erwiderte der König und schüttelte ernst den Kopf. »Die Erinnerungen an diese Zeit sind für immer und ewig verloren.«
»Die Krönung des Königs war die Geburtsstunde unseres Reichs«, erklärte Graf Valentyne. »Und seit jenem Tag vor urdenklicher Zeit ist niemand mehr im Elfenreich an Altersschwäche oder durch Krankheit gestorben – weder Mann noch Frau noch Kind.« Er hielt inne und presste die Hand aufs Herz. Er verzog das Gesicht, als hätte er große Schmerzen.
Eden wandte sich zu ihm um. »Mylord«, sagte sie, »was ist Euch?«
Der Graf schreckte hoch. »Es ist nichts«, erwiderte er, »wir haben gewichtige Dinge zu beraten. Wir müssen Antworten finden auf die Frage, die uns alle beschäftigt: Woher stammt das Unheil, das in unser Reich eingedrungen ist und uns ein Leben geraubt hat?«
Tania sah den alten Grafen an. Täuschte sie sich oder war sein Gesicht gerötet? Vielleicht aus Zorn?
Plötzlich ertönte eine Stimme im Zelt.
»Eure Majestäten, Mylords und Myladys, verzeiht mir meine Kühnheit, doch ich glaube eine Antwort auf diese Frage gefunden zu haben!« Es war Edric, der unbemerkt hereingekommen war. Er ließ die Zeltklappe hinter sich zufallen und trat vor das Königspaar.
»Ihr nehmt Euch viel heraus aufgrund Eurer Freundschaft mit Prinzessin Tania, Master Chanticleer«, rief Herzog Cornelius und funkelte Edric wütend an. Auch die anderen waren entrüstet über sein Erscheinen. »Diese Ratsversammlung ist allein für die Mitglieder des Hauses Aurealis«, fuhr Cornelius fort. »Kein anderer hat die Erlaubnis, hier einzutreten oder das Wort zu
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