Das verfluchte Koenigreich
hinterließ gelblichen Schaum am Strand. Möwen und Brachvögel segelten über den flachen Wellen, und hin und wieder stob einer wild flatternd auf und flog davon – eine dunkle Silhouette vor dem roten Himmel.
Tania atmete tief ein. Die Seeluft machte sie rastlos und sie starrte ungeduldig über das Meer. Irgendwo jenseits des Horizonts lag die Insel Alba. Die Insel, von der ihre Elfenmutter stammte.
Und irgendwo in der Nähe lagen die Ruinen von Caer Fior.
Sie ritten eine lange, halbmondförmige Sandbucht entlang. In der Ferne konnten sie die bestehenden Reste der Landzunge erahnen und dort war ihre Reise zu Ende.
Es dämmerte bereits, als Rathina einen Pfad einschlug, der sich durch die Dünen schlängelte.
»Seht nur, das Dorf Trau-der-Brandung«, sagte sie. »Ich glaubte schon, es sei im Meer versunken.«
Die Dünen fielen steil ab, wurden jedoch von langen Reihen vermoderter Holzpfähle gehalten, die in den Boden gerammt waren, damit die Sandhügel nicht landeinwärts wanderten und den kleinen Weiler, der dahinter lag, unter sich begruben.
»Es ist unheimlich still hier«, bemerkte Connor. »Seid ihr sicher, dass dieses Dorf noch bewohnt ist?«
»Ich weiß nicht«, sagte Tania und spähte über die Stroh- und Schindeldächer hinweg. »Es sieht verlassen aus. Vielleicht lebt schon niemand mehr hier, seit das Caer im Meer versunken ist.«
Plötzlich vernahmen sie ein Schwirren – etwas sauste durch die Luft und schlug vor ihnen im Boden ein. Rathinas Hengst geriet in Panik, bäumte sich auf und sie stürzte zu Boden.
Entsetzt starrte Tania auf den Pfeil – nur das gefiederte Ende ragte noch aus dem Sand. Sie spähte zu dem Dorf hinunter und im selben Moment schwirrten ein zweiter und ein dritter Pfeil durch die Luft. Jetzt scheute auch Connors Pferd, denn ein Pfeil verfehlte Connors Schenkel nur knapp. Tanias Pferd stieg ebenfalls auf die Hinterbeine und wieherte vor Angst. Sie spürte, dass sie abrutschte und versuchte verzweifelt sich festzuklammern.
Da vernahmen sie eine heisere Stimme.
»Fort mit Euch! Die Krankheit hat unser Dorf bereits verwüstet. Ihr seid hier nicht willkommen. Verschwindet oder Ihr werdet es mit eurem Leben bezahlen!«
XX
T ania stürzte in den Sand. Sie landete auf einer Schulter und dem rechten Knie und die Wucht des Aufpralls verschlug ihr für einen Moment den Atem. »Connor? Bist du okay?«, rief sie.
Keine Antwort. Aus Angst, von einem weiteren Pfeil aus dem Dorf getroffen zu werden, legte sie sich flach auf den Sandboden.
Vorsichtig hob sie den Kopf, aber sie konnte nicht die geringste Spur von den Angreifern entdecken. Ihre Pferde waren durchgegangen.
»Connor?«
»Ich bin okay.«
»Er ist bei mir«, rief Rathina. »Wir müssen in Deckung gehen. Bist du verletzt, Tania?«
»Nein.« Tania rollte sich auf den Bauch und robbte den Dünenhang hinauf. Sie zog sich langsam über den Kamm, dann rollte sie ein Stück hinunter. Schließlich landete sie auf dem Rücken und blieb vor Anstrengung keuchend liegend. Kurz darauf vernahm sie ein Rascheln: Eine Sandwolke flog auf und sie sah, wie Rathina und Connor auf sie zurobbten.
»Welch ein Willkommensgruß«, bemerkte Rathina, während sie sich aufsetzte und den Sand von ihren Kleidern klopfte. »Es heißt eben nicht von ungefähr, dass ein scharfer Pfeil in Weir wie ein warmer Händedruck in Udwold ist. Doch sag, Schwester, was nun?«
»Woher soll ich das wissen?«, fauchte Tania, der der Schreck noch in den Knochen saß.
Rathina zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts.
»Vielleicht hätten wir eine weiße Flagge hissen sollen«, warf Connor ein. »Um zu signalisieren, dass wir in friedlicher Absicht kommen.«
Tania sah ihn an. »Ja und? Hast du eine weiße Flagge?«
»Nein, nicht direkt.«
»Wir hätten bewaffnet kommen sollen«, sagte Rathina. »Dann wären wir vorbereitet gewesen. Aber leider wussten wir ja nicht, wohin uns diese Reise führen würde. Doch sag, Tania, müssen wir uns noch länger mit diesen Leuten herumschlagen? Sie werden uns ohnehin nichts über Caer Fior sagen können, so viel ist sicher.«
»Aber vielleicht haben sie ein paar nützliche Infos für uns«, wandte Tania ein. Sie begann den Hang hinaufzukriechen. Vorsichtig spähte sie über den Dünenkamm auf die Dachgiebel des Weilers. »Wir müssen sie überzeugen, dass wir nicht mit der Krankheit infiziert sind. Dann sind sie vielleicht bereit, mit uns zu reden.«
»Oder sie durchlöchern uns mit Pfeilen«, schnaubte Rathina.
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